Musikfilm "20 Feet from Stardom" Die Stars hinter den Superstars

Düsseldorf · Der Musikfilm "20 Feet from Stardom" porträtiert Background-Sängerinnen von Größen wie den Stones oder Sting. Der Zuschauer begegnet beeindruckenden Sängerinnen - und kann doch ahnen, warum sie nie selbst Stars wurden.

Bilder aus "20 Feet from Stardom"
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Sie machen den Sound unverwechselbar - und Stars damit erst zu Stars. Sie liefern den Sängern an der Bühnenrampe den Klangmantel, den Beat für die Bühne, die Bewegung zur Musik. Sie reißen das Publikum mit in die Begeisterung für diesen einen Abend, das Konzert, das Legende werden könnte, die Feier des Augenblicks.

Und doch kennt kaum einer Tata Vega oder Claudia Lennear oder Cindy Mizelle. Denn sie sind Background-Sängerinnen, engagiert, um den stimmlichen Rückhalt zu bilden, die Sound-Kulisse aufzuspannen - und unbemerkt zu bleiben. Ihr Reich ist der Hintergrund, die zweite Reihe. Von dort rollen sie den Klangteppich aus, auf dem andere ins Rampenlicht tanzen und die Aufmerksamkeit auf sich ziehen, den Jubel, die Liebe der Fans.

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Background-Sängerinnen haben große Stimmen, haben Rhythmus im Puls und den Bandgeist im Blut. Sie singen und tanzen im Ensemble, immer bei Stimme, immer bei Laune, immer perfekt. Doch ihre Kunst ist es, nicht aufzufallen, nicht zu irritieren, nur Wegbereiter zu sein. Sie sind nicht gemacht für die Allüre, sie müssen die Selbstlosigkeit perfektionieren, Musik machen, um der Musik willen.

Höchste Zeit also, diesen Heldinnen aus dem Hintergrund einen Film zu widmen. Der amerikanische Dokumentarist Morgan Neville hat das Thema erkannt und für seinen ungewöhnlichen Musikfilm "20 Feet from Stardom" in diesem Jahr den Oscar für die beste Dokumentation gewonnen. Neville, der in Los Angeles aufwuchs und in New York und San Francisco als Musik-Journalist gearbeitet hat, ehe er in die Filmbranche wechselte, porträtiert in seiner angenehm altmodischen Doku Begleit-Sängerinnen, die hinter Stars wie Mick Jagger, Bruce Springsteen oder Sting auftreten und es im Laufe der Jahre zu hohem Ansehen in der Branche gebracht haben. Neville hat sie zu Interviews vor die Kamera geholt und zeigt viele Konzertausschnitte, in denen die Frauen als Motoren gewaltiger Bühnenshows zu erleben sind.

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Dabei spult Neville auch zurück in der Musikgeschichte, in die große Zeit von Stevie Wonder etwa oder von Ike Turner, der später von seiner Background-Sängerin und damaligen Ehefrau Tina von der Bühnenrampe verdrängt werden sollte.

Konsequent richtet Neville seine Kamera weg von der Bühnenmitte auf die Frauen an der Seite, stellt Sänger-Persönlichkeiten vor wie Merry Clayton, Darlene Love oder Judith Hill, deren Stimmen grandios und deren Temperamente umwerfend sind. Natürlich liefern sie viel mehr als ein bisschen "Uh" und "Ah" zum Mitsummen. Die Frauen sind Künstlerinnen durch und durch, wenn sie im Gespräch einen Song erwähnen, singen sie sofort, und dann sitzt der Ton, vibriert die Stimme, ist Beat im Raum. Und wenn man Lisa Fischer zuhört, die früher mit Tina Turner auftrat und seit Jahren mit den Stones tourt, erlebt man, wie eine Frau Atem in Klang verwandelt, wie sie aus Gesang Materie macht und formt. Und so keimt im Zuschauer bald die eigentliche Frage, die diese Doku umkreist: Warum sind all diese Frauen in der zweiten Reihe geblieben, warum wurden sie nicht selbst zu Stars? Es ist die Frage nach dem gewissen Etwas, nach dem Geheimnis der Berühmtheit.

Viele Background-Frauen haben es versucht mit der eigenen Karriere. Manche wurden auch ins Rampenlicht katapultiert wie Judith Hill, die Michael Jackson für den Hintergrund engagierte, und als er starb, sang sie bei seiner Trauerfeier "Heal the World" und Millionen weltweit hielten den Atem an. Trotzdem ist ihr Name wieder vergessen. Auch Merry Clayton, Darlene Love oder Lisa Fischer haben beachtliche Solo-Platten veröffentlicht. Doch für den ganz großen Ruhm fehlte etwas: das Glück, die richtigen Berater, womöglich die letzte Entschlossenheit? Selbst Stars wie Mick Jagger, Bruce Springsteen oder Sheryl Crow, mit denen Neville über ihre Begleit-Sängerinnen spricht, können das Etwas kaum benennen, das den Künstler zum Star macht. Sting nennt Glück und die Umstände - und dann macht er eine Pause und fügt noch das Schicksal hinzu.

Manche Sängerinnen aus "20 Feet from Stardom" hadern mit ihren verpassten Chancen. Claudia Lennear muss schlucken, als sie nach dem Erfolg ihrer Solo-Platten gefragt wird; und Darlene Love erzählt, wie sie als Putzfrau im Haus reicher Leute wischte und im Radio ihre Songs hören musste. Da hat sie Wut gepackt, und sie kehrte zurück auf die Bühne. Doch alle Background-Frauen sprechen lieber über die Musik als über sich selbst.

Vielleicht ist es das, was am Ende den Star ausmacht: Er nimmt sich selbst so wichtig wie die Kunst, hat keine Angst vor dem Ego. Über die Qualität eines Musikers sagt das wenig, über seine Chancen an der Bühnenrampe alles.

(RP)
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