Eine Frage Des Stils Besser riechen

Darf man einen Kollegen auf seinen penetranten Körpergeruch hinweisen? Ja, man sollte es sogar. Er wird einem dankbar sein.

Das auf zehn Sätze begrenzte Fassungsvermögen der Gesetzestafeln des Moses hat lange Zeit für Stillstand bei neuen Imperativen gesorgt. Es war der Schriftsteller Robert Gernhardt, der in einem famosen Essay das 11. Gebot ausgab: Du sollst nicht lärmen! Damit meinte er jene Krachschläger, die aus rollenden Lautsprecherboxen im Straßenverkehr ganze Stadtteile beschallen.

Seit Menschengedenken hängt ein 12. Gebot in der Luft: Du sollst nicht stinken! Dabei ist Geruch nicht zwingend mit Gestank verbunden. Wir alle kennen die feinen Duftnoten, die frischer Schweiß erzeugt. Geruch wird auch nicht von jedem missbilligt. Angeblich stimuliert er im Schlafzimmer. Hier sind jene Stinker im Büro gemeint, die selbst nichts von ihrem Dunst wissen, aber die komplette Umgebung kontaminieren. Und zwar penetrant regelmäßig. Alter Schweiß, der nicht von Seife entfernt und von einem Deo gebannt wird, ist widerlich. Er macht Arbeiten im Team unmöglich. Dieser Geruch verfliegt nicht, sondern wird nur schlimmer.

Was tun? Darf man dem Stinkadores sagen, dass er ein Otter ist? Ist das nicht peinlich? Hat der Mensch nicht ein Recht darauf, bio zu sein? Nun, dem argen Dufter aus der Personalabteilung, den man einmal alle sechs Monate sieht, muss man nicht die Wahrheit sagen, dem Kollegen, der einem täglich gegenübersitzt, aber schon. Es ist einfacher, als man denkt. Das geht so:

"Lieber Gerd, wir sitzen seit Monaten hier in einem Zimmer. Ich arbeite sehr gern mit dir zusammen. Nur eine Sache stört mich: Dein Deo ist nicht optimal. Du merkst das selbst nicht, aber ich merke es. Du müffelst. Und oft ziehst du verschwitzte Sachen sogar mehrfach an. Kannst du darüber vielleicht mal nachdenken? Das wäre super."

Falls Gerd nur einen Hauch an Grundsensibilität besitzt, wird sich von Stund an kein schales Lüftchen mehr im gemeinsamen Büro erheben. Schlechter Stil und Ausdruck von Feigheit wäre es jedoch gewesen, dem Verursacher unkommentiert ein Deo auf den Schreibtisch zu stellen. Das ist unkollegial und kann als Schuss nach hinten losgehen.

Selbstverständlich gilt diese Kolumne auch für jene Kollegin, die bereits auf dem Weg zur Arbeit in undurchdringliche Parfümwolken gehüllt ist. Solchen Damen geht jede Dezenz ab. Eigentlich sollte aber jeder Leser diese Kardinalfragen sich und einem vertrauten Menschen mal stellen: Rieche ich? Stinke ich gar? Unter den Achseln? Aus dem Mund? Und merke es nicht?

Ja, die Welt kann so schön sein, wenn man nur miteinander redet.

WEITERE FRAGEN UND ANREGUNGEN UNTER "EINE FRAGE DES STILS" PER MAIL AN STILFRAGE@RHEINISCHE-POST.DE.

(RP)
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