Rezension Dann ändert halt was!

Düsseldorf · Ausgangspunkt: Käsetheke. Es könnte die Einleitung zu einem psychologischen Experiment sein, ist aber die erste von 21 Kurzgeschichten in dem neuen Buch von Yasmina Reza. "Glücklich die Glücklichen" so der Titel, doch Glück sucht man hier vergebens.

In den 21 Kapiteln kommen unterschiedliche Menschen zu Wort, deren Leben auf verschiedene Weisen miteinander verbunden sind und deren Geschichten die Autorin geschickt verknüpft. Seien es Ehepartner mit Freunden oder Affären oder Begegnungen im Wartezimmer eines Arztes.

Yasmina Reza, geboren 1959 in Paris, ist spätestens seit der Verfilmung ihres Romans "Der Gott des Gemetzels" von Roman Polanski im Jahr 2011 fast jedem ein Begriff. Ihre künstlerische Laufbahn begann als Schauspielerin, doch berühmt wurde sie vor allem als Autorin von Theaterstücken, Drehbüchern und eben Romanen.

Zurück zur Käsetheke. Hier streiten sich gerade die Eheleute Toscano. Grund: Wird der Käse eingepackt, den sie nicht leiden kann, oder doch lieber Schokolade für die Kinder? Der Streit eskaliert, sie werden handgreiflich. Als Leser wird man hineingeworfen in eine völlig absurde Situation. Wähnt man sich am Ende dieses kurzen Kapitels auf der sicheren Seite - nur ein kurzes Intermezzo als Auftakt! Man wird schnell enttäuscht. Auch die weiteren tagebuchartigen Einblicke in die Leben und Gefühlswelten der anderen Protagonisten stellen ebenso teils absurde und häufig völlig realitätsferne Erlebnisse dar. Das Wichtige ist nicht das eigene Glück, sondern der Schein, den man nach außen wahrt. "Aber gerade weil wir den Inbegriff von Harmonie verkörpern, ist es so schwer, die Katastrophe einzugestehen. Ich kann mir schon vorstellen, wie sich Leute von der Sorte der Toscanos das Maul zerreißen."

Sehen wir von der Unart der modernen Literatur ab, möglichst sparsam mit Satzzeichen umzugehen und die Anführungszeichen wörtlicher Rede wegzulassen, so bleiben trotzdem einige Faktoren, die einem den Lesespaß verderben. Die Figuren bleiben flach und dem Leser gleichgültig. Am schlimmsten ist jedoch die nicht vorhandene Weiterentwicklung: beständiger Streit in der Ehe, Stillstand und Unglück im Leben, ob beruflich oder privat. Jeder hat sich mit dem eigenen Unglück abgefunden, niemand strebt nach Veränderung. Es werden keine Konsequenzen gezogen. Als Beispiel sei hier Paola Suares genannt. Sie ist die Liebhaberin eines verheirateten Mannes, und nach einem ohnehin fragwürdigen gemeinsamen Abend entspinnt sich im Restaurant folgender kurzer Dialog: "Ich sagte, fährst du nicht zu ihnen? — Doch, Freitag. Ich dachte, fahr zur Hölle." Trotzdem landen sie später im Bett. Glücklich wird hier keiner, schon gar nicht der Leser.

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