Rezension Kein Roman mit Nachklang

Düsseldorf · Yasmina Reza ist international als Theaterautorin bekannt geworden — Erst "Kunst" und "Drei mal im Leben", dann "Der Gott des Gemetzels", eines der erfolgreichsten Theaterstücke der letzten zehn Jahre.

 Corinna Ramrath ist Studentin an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf.

Corinna Ramrath ist Studentin an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf.

Foto: Corinna Ramrath

Roman Polański verfilmte das Stück mit Starbesetzung, Christoph Waltz, Kate Winslet, Jodie Foster; auch durch die Verfilmung wurden Stück und Autorin weltbekannt.

Vom Theater in den Prosaroman: Eine hervorragende Dramaturgin wie Reza schreibt fantastische Dialoge nicht nur für die Bühne. Ihre Erzählung "Glücklich die Glücklichen" spielt in einundzwanzig Episoden, deren Aufbau an Schnitzlers "Das große Lesebuch" erinnert. Mehr oder weniger demokratisch erhält jede der Romanfiguren ein eigenes Kapitel und die Möglichkeit zur Selbstoffenbarung. Es wird partnerschaftliches Miteinander ertragen, Beziehungsglück geheuchelt und Einsamkeit hinter Konventionen verborgen. Der Leser ist augenblicklich mitten im Geschehen, in der Hochglanzwelt der etablierten Großstädter, in der Büchse der Pandora, die unter der Oberfläche längst geöffnet ist. Dort schlummern die für Kritik an der Gutbürgerlichkeit obligatorische Untreue, verdrängte Aggressionen und die beißende Ambivalenz der Zweisamkeit.

"vielleicht besteht gar kein so großer Unterschied zwischen Heute Abend essen wir was Schönes, mein Herz und Ich zähle bis drei, Odile, in beiden Fällen liegt eine Art Wesensverengung vor, damit man die Zweisamkeit erträgt, eine natürlichere Harmonie kann es nicht geben als in dem Essen wir was Schönes, mein Herz, meine ich, nein, nein, und nicht weniger Abgründe […]"

Reza spielt mit den sozialen Abgründen ihrer Figuren, mit dem, was sich in ihrem Inneren verbirgt und gerade dann, wenn man lauthals über die aberwitzigsten Gedankengänge lachen möchte, erfasst man im nächsten Moment, wie traurig die Situation ist und wie wenig die Figuren das Glücklichsein auch nur tangieren. Doch verdient es die Vorstadthölle der oberen Mittelschicht, dass ihr ein Roman mit einundzwanzig Episoden gewidmet wird? Trotz Rezas Scharfsinn, Witz und dramaturgischem Talent fehlt es ihren Figuren an Substanz, die "Glücklich die Glücklichen" mit Leichtigkeit zu einem Roman mit Nachklang gemacht hätte.

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