Köln Der Kunstmarkt ist hochemotional

Köln · Sotheby's meldet neue Superlative: Ein Basquiat-Gemälde stellte jüngst den Auktionsrekord für nach 1980 entstandene Malerei auf.

Ein Auktionshaus wie Sotheby's ist für alle da. Jeder kann mitbieten, Käufer oder Verkäufer sein, kleine Schätze oder Millionenwerte bewegen. Es gibt fast nichts, was nicht im Angebot ist. In wenigen Tagen wird in London Mondstaub versteigert, den der Astronaut Neil Armstrong 1969 bei seinem Besuch auf dem fernen Himmelskörper mitnahm. Die paar Gramm sind in einem Beutel mit goldenem Reißverschluss untergebracht. Gebote zwischen zwei und vier Millionen Dollar werden erwartet. Im Herbst kann man unter 250 Losen auswählen, die aus dem Erbe der Hollywood-Legende Vivian Leigh ("Vom Winde verweht") kommen, Bücher, Schmuck, Roben und andere persönliche Gegenstände sind dabei. Schätzwert: zwischen 100 und 100.000 Pfund.

Diese Besonderheiten gehören zum Geschäft des Auktionshauses, das das älteste, seit 1744 bestehende Auktionshaus der Welt ist und das nicht alleine mit Kunst seinen Umsatz (4,9 Milliarden Dollar in 2016) erwirtschaftet. Sotheby's unterhält 90 Niederlassungen in 40 Ländern, davon fünf in Deutschland. Und das Geschäft läuft gut. "Die prognostizierte Blase auf dem Kunstmarkt hat es nicht gegeben, ein Zeichen, dass das Vertrauen in den Markt anhält", sagt Deutschland-Geschäftsführer Philipp von Württemberg. Kurz vor den großen Herbstauktionen zieht er in Köln eine positive Bilanz des ersten Halbjahres. "Die Prophezeiungen, der Kunstmarkt würde in Kürze zusammenbrechen, haben sich nicht bewahrheitet." Der Zinspolitik sei Dank, dass die Menschen ihr Geld noch immer gern in Kunst und andere Werte anlegten, der Markt sei stark und stabil.

Dafür sprächen die jüngsten Auktionsergebnisse des ersten Halbjahres seines Hauses wie auch sein Eindruck von der Art Basel, die weltweit als Gradmesser gilt. "Was gut ist, läuft", sagt Württemberg, "und die Preise stimmen". Autos boomen und Diamanten, alte Möbel finden dafür keine neuen Käufer mehr außer ausgefallene Designexemplare. Wenn Kunst oder Sammlungen in Zusammenhang mit einem großen Namen gebracht werden können, dann sind die Verkaufsaussichten besonders gut. Bestes Beispiel dafür ist die jüngste erfolgreiche Versteigerung des Nachlasses von Poplegende David Bowie.

Manche Entwicklung verwundert selbst den Auktionator, der nach Einlieferung, genau wie der Verkäufer, oft von der Preisentwicklung überrascht wird. Von der Besonderheit des Kunstmarktes als einem hochemotionalen Markt erzählt auch die Geschichte des Basquiat-Gemäldes, das bei Sotheby's im Mai in New York für 110,5 Millionen Dollar versteigert wurde. Ein Rekordpreis für ein nach 1980 entstandenes Bild - in Gefilde, in denen sich normalerweise Werke von Van Gogh oder De Kooning bewegen.

Auch dass ausgerechnet der Außenseiter Jean-Michel Basquiat (1960-1988) diesen Rekord aufstellte, der als erster afroamerikanischer Künstler seinen Durchbruch in der von Weißen geprägten Kunstwelt feierte, verwundert. 1000 Gemälde hat der mit Warhol und Beuys befreundete Maler hinterlassen, stilistisch zwischen Neoexpressionismus und Graffiti.

Warum zahlt ein Mensch so viel Geld für diesen Basquiat, und wer ist der Kunst-Investor? Anders als bei den meisten Auktionsgeschäften hat sich der Käufer enttarnt, ein Interview gegeben und erzählt, wie sehr er sich an Kunst erfreue und diese Freude teilen wolle, indem er demnächst ein Museum eröffne.

Nicht einmal 40 Jahre alt ist der Internethändler Yusaka Maezawa aus Japan, dessen geschätztes Vermögen laut "Forbes" 3,7 Milliarden US-Dollar beträgt. Der junge Unternehmer steigt - übrigens nicht zum ersten Mal - mit hohen Summen in den Kunstmarkt ein und setzt gleich eine neue Rekordmarke, die weitreichende Auswirkungen auf die Wertentwicklung des Werkes von Basquiat hat und auf die Kunstpreisentwicklung allgemein. Yusaka Maezawa erklärte sich: Er hatte in seiner Jugend keinen Kontakt zu Kunst, aber er empfindet eine große Liebe zu Kunsthandwerk, Musik, Mode und Kreativem im Allgemeinen. Ein Musiker, den er sehr verehrte, hatte ihm von Basquiat erzählt, so war er neugierig geworden und musste feststellen, dass er sich mit den Wurzeln Basquiats identifizieren konnte, "Basquiat war ein unbekannter Künstler mit einem spektakulären Talent", sagte Maezawa, "er war zur richtigen Zeit am richtigen Ort." Brüder im Geiste sind sie - so empfand er das wohl.

Man sieht: Der Kunstmarkt ist dynamisch. Das sagt auch Philipp von Württemberg. Es gebe eine kleine Schicht von Kunstkäufern, die nur online steigern möchte. Andere schätzten das Privatissime eines Private Sales. In Asien, wo neben den USA das größte Geschäft abgewickelt wird, liebe man Online-Auktionen, andererseits den physisch erlebbaren Bieterstreit. Der Saal ist die Nummer eins, jederzeit kann man per Telefon oder online zugeschaltet werden. Die Kataloge werden noch nach Hause geschickt, stehen dabei online mit Blättertechnik.

Bei all solchen schwindelerregenden Rekorden bleibt ein Auktionshaus Anlaufstelle für jeden, der ein Schätzchen in seinem Besitz wähnt. Beratung und Schätzung kosten bei Sotheby's nichts.

(RP)
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