Düsseldorf Die Lutherbibel hat den TÜV überstanden

Düsseldorf · Mehrere Jahre hat die Revision der Lutherbibel gedauert. Pünktlich zum Beginn des Lutherjahres 2017 kommt eine Neuedition auf den Markt. An vielen Stellen kehrt man zur ursprünglichen Übersetzung des Reformators zurück.

Kaum jemand weiß heute noch, welche Sprichwörter und Redewendungen die deutsche Sprache dem Reformator Martin Luther zu verdanken hat. "Perlen vor die Säue werfen", "die Spreu vom Weizen trennen" und "im Dunkeln tappen" - diese Sprüche stehen in der Bibelübersetzung, die Luther im 16. Jahrhundert angefertigt hat. Auch in der neuen Überarbeitung sind sie zu finden. Pünktlich zur Feier des Reformationsjubiläums 2017 hat die Deutsche Bibelgesellschaft eine Neuausgabe der Lutherbibel herausgebracht. Sie wird jetzt auf der Buchmesse präsentiert.

Von Januar 2010 bis Januar 2016 haben etwa 70 Wissenschaftler die Bibelübersetzung überarbeitet. "Wir mussten die Lutherbibel zum TÜV schicken, um zu sehen, ob sie technisch noch perfekt ist. Und wir haben festgestellt, dass Einzelnes ausgeschraubt und neu eingesetzt werden musste", sagt der thüringische Landesbischof im Ruhestand, Christoph Kähler. Er ist der Vorsitzende des Lenkungsausschusses, der die Arbeit der sechs wissenschaftlichen Fachgruppen überwacht hat.

Eine Gruppe hat sich mit dem Neuen Testament, eine mit den Apokryphen und eine andere mit den Schriften des Alten Testaments beschäftigt. "Es gab 80.000 Änderungsvorschläge, mit denen wir uns beschäftigt haben", sagt Kähler. Am Ende wurden 15.700 Verse geändert.

Und das Ergebnis ist verblüffend: "An vielen Stellen sind wir zu der alten Lutherübersetzung zurückgekehrt", sagt Kähler. In den fünfhundert Jahren seit ihrer Entstehung hat es viele Überarbeitungen gegeben. Zuletzt wurde die Bibel 1984 komplett überarbeitet.

Bei der Bearbeitung stand nicht die Modernisierung der Sprache im Vordergrund. "Davon waren wir glücklicherweise befreit. Es gibt über 40 deutschsprachige Bibelübersetzungen, darunter auch mehrere in moderner Sprache. Unser Auftrag war, das Profil der Lutherbibel zu schärfen", erklärt Kähler, der selbst Spezialist für das Neue Testament ist. Zwei Erkenntnisse betont der Theologe dabei besonders: Zum einen sei Luther bei all seinem Sprachgenie auch beratungsoffen gewesen. Er habe sein Manuskript für die Übersetzung des Neuen Testaments, das 1521 fertig war, mit seinem Freund Philipp Melanchthon verbessert. Bei der Übersetzung des Alten Testaments arbeitete Luther mit einer Arbeitsgruppe von Kollegen zusammen. 1534 kam die erste vollständige Bibelübersetzung heraus. Bis zu Luthers Tod 1546 seien immer wieder Änderungen vorgenommen worden.

Zum Zweiten hat Kähler die "Weisheit der Übersetzung Martin Luthers" beeindruckt. Luther sei unheimlich feinfühlig im Umgang mit Sprache gewesen und konnte auch dichten, wie sich in der Übersetzung der Weihnachtsgeschichte im Lukas-Evangelium zeigt. In Lukas 2, Vers 6 hieß es früher: "Und als sie dort waren, kam die Zeit, dass sie gebären sollte." Der Lenkungsausschuss ist in diesem Vers zu der ursprünglichen Übersetzung von Luther zurückgekehrt. Jetzt ist da zu lesen: "Und als sie daselbst waren..." ",Daselbst' passt viel besser in den Satzrhythmus. Der Satz hat eine Folge von a-Assonanzen, die wir jetzt wiederhergestellt haben." Luther habe eine Hörbibel gemacht, die eingängig sei. Dazu gehört auch, dass Luther nur sehr wenige Fremdwörter benutzt hat. "Es ging ihm um eine Verdeutschung", sagt Kähler. "Wir wissen, dass er fließend Latein gesprochen hat. In der Bibel hat er viel weniger Fremdwörter benutzt als in seiner Umgangssprache."

Ausnahmen gebe es aber auch hier: In der Apostelgeschichte taucht nun das griechische Fremdwort "Proselyt" für "Judengenosse" auf. "Das Wort ,Judengenosse' hat seit dem Nationalsozialismus eine herabsetzende Bedeutung. Das können wir heute nicht mehr verwenden."

Die neue Übersetzung hat gezeigt, dass fast alle Antijudaismen nachträglich eingefügt wurden. Auch das habe man bereinigt. "Luther ging es darum, positiv herauszubekommen, was die Botschaft der Bibel ist, und nicht polemisch gegen andere Religionsgruppen zu hetzen", sagt Kähler. Die Luther-Übersetzung sei sehr ehrlich.

An einigen Stellen haben die Wissenschaftler die Übersetzung dem heutigen Sprachgebrauch angepasst. Im Matthäus-Evangelium wird im achten Kapitel beschrieben, wie Jesus einen großen Sturm auf dem Wasser bändigt. Luther übersetzte noch "Ungestüm". "Im griechischen Text steht dort ,seismos', so dass wir nun zu der Übersetzung 'ein großes Beben im Meer' gelangt sind. Heute muss man niemanden mehr erklären, was ein Tsunami ist", so Kähler. Ähnlich ist es mit dem Wort "Wehmutter". Dafür wird nun "Hebamme" verwendet.

Manche Texte waren aber von vorneherein von der Überarbeitung ausgeschlossen. Dazu gehören das "Vater unser" und der Psalm 23. "Diese Texte sind in der Tradition der Gemeinden so stark, dass eine Änderung schlichtweg ausgeschlossen ist", sagt Kähler. "Uns allen war klar, dass es Texte sind, die etwas bedeuten und die uns bewegen. Deswegen haben wir über viele Änderungen auch heftig gestritten."

(heif)
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