Essen Helge Achenbach gesteht unter Tränen

Essen · Der bekannte Kunstexperte gibt vor Gericht zu, die Aldi-Familie beim Kauf von Kunstwerken um viele Millionen Euro betrogen zu haben. Bei noch lukrativeren Geschäften mit Oldtimern behauptet er aber, alles sei in Ordnung gewesen.

Der seit dem 11. Juni wegen Betrugsverdachts in Untersuchungshaft sitzende Helge Achenbach hat vor dem Essener Landgericht eingeräumt, den 2012 verstorbenen Aldi-Erben Berthold Albrecht um viele Millionen Euro bei vermittelten Kunstkäufen betrogen zu haben. "Angesichts der erdrückenden Beweislage gab es wohl fast keine Alternative, um die drohende Haftstrafe in Höhe von einigen Jahren etwas zu verkürzen", meint ein Achenbach kritisch gegenüberstehender Jurist. Achenbachs Verteidiger Thomas Elsner plädierte dagegen nach der Verhandlung dafür, nun Milde gegenüber seinem Mandanten walten zu lassen: "Man sollte ihm hoch anrechnen, dass er sich zu seinen Fehlern bekennt. Das kann nicht jeder."

Am Ende seiner mehr als einstündigen Einlassung, die Achenbach von einem getippten Manuskript vorlas, brach er in Tränen aus. "Es war unverzeihlich, dass in mehreren Fällen das von Berthold Albrecht in mich gesetzte Vertrauen nicht berechtigt war", sagte der 62-Jährige. Er entschldigte sich bei der Familie Albrecht, wies aber auch darauf hin, seine Familie habe ebenfalls unter der Affäre gelitten. "Dafür möchte ich mich bei meiner Familie entschuldigen." Ehefrau Dorothee nahm die Äußerung im Zuschauerraum zur Kenntnis - bei der Prozesseröffnung vor einer Woche hatte sie gefehlt.

Konkret berichtete Achenbach in seiner Einlassung, wie er Berthold Albrecht über rund drei Jahre beim Vermitteln von Kunstkäufen hintergangen habe. Dabei versuchte er auch, sein Handeln moralisch und juristisch so einzuordnen, dass er vom Gericht möglicherweise teilweise mildernde Umstände zugebilligt bekommen kann.

So habe er 2007 Berthold Albrecht und dessen Ehefrau Babette zufällig bei einem Abendessen kennengelernt. Dann habe ihn der Essener Milliardär angesprochen, bald werde bei ihm "ein größerer Betrag" frei - und ob Achenbach ihm helfen könne, die Millionen in einer eigenen Kunstsammlung anzulegen.

Als Achenbach dann zwei Werke von Ernst Ludwig Kirchner und von Oskar Kokoschka für Albrecht kaufen sollte, habe er eine Rücknahmegarantie für die Kunstwerke gegeben - auch weil Babette die Werke teilweise angeblich nicht gefielen. Doch weil er die angebliche Rücknahmegarantie mit der vereinbarten Provision von fünf Prozent des Kaufpreises nicht hätte absichern können, fälschte er dann die Rechnungen. "Diese beiden Geschäfte waren der Sündenfall in meinem Verhältnis zu Berthold", sagte Achenbach und nannte die Fälschungen "Collagen". Er habe den Aldi-Erben aber nicht betrügen wollen, sondern sich nur geschämt, die Rücknahmesicherheit zum Anlass eines höheres Preises zu machen: "Ich wollte gegenüber Berthold Albrecht großzügig erscheinen."

In der Folge habe er dann immer wieder Rechnungen so geändert, dass er einen "wirtschaftlichen Puffer" für mögliche Rückkäufe habe. Außerdem habe er das Geld gebraucht, um "hohe Auslagen" und seine notleidende Restaurantgruppe "Monkey's" in Düsseldorf zu finanzieren - sie ging kürzlich in Konkurs.

Welcher Schaden bei den Kunstwerken zustande kam, listet die Staatsanwaltschaft in ihrer Anklage auf - demnach hat Achenbach beim Kauf von 14 Werken für Albrecht 8,5 Millionen Euro zu viel abgerechnet. Insgesamt zahlte Albrecht für die Werke rund 48 Millionen Euro.

Trotz des weitgehenden Geständnisses halten sich Achenbach und Verteidiger Elsner alle Optionen offen. So erklärte Achenbach, er habe sich bei allen Geschäften gegenüber Albrecht "nicht als Kommissionär, sondern als Händler" verstanden. Er habe seine Mitarbeiter nie angewiesen, die wahren Einkaufspreise gegenüber Berthold Albrecht zu verheimlichen - der hätte also mit einem Telefonat erfahren können, dass er zu viel gezahlt hatte. Dies alles soll wohl den Verdacht der "arglistigen Täuschung" etwas mildern.

Kompromisslos weist Achenbach gleichzeitig den Vorwurf zurück, Albrecht auch beim Kauf von Oldtimern getäuscht zu haben. Hier ging es laut Anklage um einen Schaden von rund 14 Millionen Euro beim Erwerb von neun edlen Wagen zum Preis von rund 70 Millionen Euro. Hier erklärte Achenbach, er habe nur als Händler und nicht als Kommissionär im Auftrag von Albrecht gehandelt. Die Kommission von drei Prozent sei keine echte Kommission gewesen, sondern eine "Handling Fee", also eine Aufwandsentschädigung. Darum habe er den Preis der vermittelten Autos frei kalkulieren können. Babette Albrecht bezeugt dagegen laut Ermittlungsakten, dass für die Oldtimer eine feste Kommission von drei Prozent vereinbart worden sei - jeder weitere Gewinn wäre also als Betrug zu werten.

Achenbach erklärte dem Gericht wiederum, Albrecht habe Geschäfte mit ihm lieber in Abwesenheit seiner Ehefrau besprochen. Das sei oft beim Frühstück geschehen, weil Babette da meist fehlte, oder nach dem Mittagessen in Düsseldorf, weil Frau Albrecht dann meist "erst einmal einkaufen ging", so Achenbach.

(RP)
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