Köln ehrt Regisseur David Lynch

Der US-amerikanische Meisterregisseur bekam gestern den Filmpreis der Stadt Köln. Zuvor gab der 64-jährige Macher des Kino-Klassikers "Blue Velvet" bei einem abgründig-charmanten Werkstattgespräch im Museum für Angewandte Kunst Einblick in seine Arbeit.

Köln Und dann sitzt er in seinem Sessel aus Edelstahl-Röhren und orangefarbenem Leder, der Fürst der Finsternis. Man überlegt, ob das eine gute Frage war für einen Regisseur, der mit funzeligem Licht die Abgründe des Lebens und des Liebens auszuleuchten versucht. Ein Regisseur, der sich keiner Konvention beugt, der Chronologie ablehnt, dessen Genie mit der Zeit immer stärker in den Wahnsinn changierte – der, kurz gesagt, David Lynch ist. "Tja", sagt also David Lynch, "bin ich traurig, dass ich trotz mehrerer Nominierungen keinen Oscar bekommen habe?" Sein Hemd ist bis zum Kinn geschlossen, die Haare trägt er an den Seiten kurz und vorne lang. "Eigentlich nicht", antwortet er, "ich habe Liz Taylor dann ja doch noch geküsst."

Gestern Abend hat der Regisseur von "Der Elefantenmensch", "Mulholland Drive" und "Lost Highway" den Filmpreis der Stadt Köln erhalten, mit 25 000 Euro ist der nominiert. Am Nachmittag ließ er sich bei einem Werkstattgespräch im Museum für Angewandte Kunst befragen, und 250 Gäste hörten die Geschichte mit Liz Taylor. Bei der Oscarverleihung 1986 war das, Lynch hoffte auf den Preis für "Blue Velvet". "Liz Taylor sollte die Trophäe überreichen, und ich wollte sie, denn ich wollte einen Kuss von ihr, immer schon, einen Kuss von Liz Taylor." Indes: Oliver Stone gewann mit "Platoon" Statue und Kuss. "Auf einer Party danach traf ich den Regisseur John Huston, und neben ihm saß Liz Taylor", berichtet Lynch. "Sie sagte: Ich liebe ,Blue Velvet'. Ich sagte: Ich wollte Sie küssen. Sie sagte: Dann küss mich. Ihre Augen waren violett, ihre Lippen weich, und es war so schön."

Man fragt sich ja oft, wie sie ticken, die großen Weltenschöpfer der Kunst. Und im Falle von Lynch kann man sagen: Er wirkt wie ein ergrauter Special Agent Dale Cooper, das ist der Ermittler in Lynchs Fernsehserie "Twin Peaks" von 1990. Cooper ist heiter, konzentriert, jungenhaft und doch hart. Man fürchtet stets, dass die Stimmung kippt. Seine Naivität hat was Subversives.

Lynch ist eine gute Wahl für den Kölner Preis, man sollte sich "Blue Velvet" und "Twin Peaks" noch einmal ansehen, dann erkennt man, wie bewohnbar die Welt immer noch ist, die der Filmkritiker Georg Seeßlen einst "Lynchville" taufte. "Blue Velvet" ist reine Atmosphäre, so dicht, dass man meint, sie anfassen zu können. "Twin Peaks" ist ein Cliffhanger ohne Auflösungsgarantie, ein Ereignis, das maßgeblich bleibt. Während der in Montana geborene Lynch seine Zuschauer bis in die 90er erst lockte, verführte und dann in die Irre leitete, beschränkt er sich heute allein auf die Verstörung. Sein letzter Film "Inland Empire" ist eine meisterliche, aber kaum zu ordnende Folge von Bildern, in denen Wahrheit nichts mit Wirklichkeit zu tun hat.

Zurzeit, verrät er in Köln, arbeitet er an einer Dokumentation über das Leben des Guru Maharishi Mahesh Yogi, nach dessen Lehre er seit fast 40 Jahren lebt. Der Yogi begeisterte schon die Beatles, und seine Jünger suchen das Heil durch yogisches Fliegen im Schneidersitz. Irritierend wie einer seiner späten Filme war denn auch Lynchs Auftritt vor wenigen Jahren in Berlin, wo er die Pläne für eine esoterische Universität für Transzendentale Meditation auf dem Teufelsberg vorstellte. Es gibt darüber eine lustige, weil respektlose Dokumentation – sie heißt "David Wants To Fly".

Nichts von alldem in Köln, dort präsentierte sich der frühere Lebensgefährte der Schauspielerin Isabella Rosselini als lakonischer Kommentator seines Werks. "Blue Velvet ist eine Liebesgeschichte aus der Hölle", sagt er. Und als jemand meint, der Film sei ihm zu brutal, antwortet Lynch: "Dinge wie in ,Blue Velvet' passieren." Und: "Du kannst kontrollieren, wie etwas wächst, aber niemals die Frucht."

Eine Vorstellung vom Charme dieses andersartigen Mannes, von der Sinnlichkeit seiner Exzentrik bekommt man, wenn er ins Schwärmen gerät. Über die Schauspielerinnen in "Twin Peaks" etwa, deren Namen er auf seiner Zunge zu einem Lautgedicht formt: "Mädchen Amick, Sherilyn Fenn, Lara Flynn Boyle, Sheryl Lee". Es ist der Schimmer, der das Werk dieses Mannes faszinierend macht, der dunkelrote Glanz in der Finsternis des Halbtraumhaften. Es sind Szenen wie jene aus "Blue Velvet", in der ein Mann und eine Frau sprechen. Er: "Ich habe mich auf etwas Unbekanntes eingelassen. Ich bin in einem Rätsel. Und das alles ist ein Geheimnis." Sie: "Du magst Geheimnisse?" Er: "Ja, sicher."

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