Düsseldorf Maler-Philosoph Michael Kunze in Düsseldorf

Düsseldorf · Seine gedankenschwere Kunst ist von Friedrich Nietzsches "Halkyonischen Tagen" beeinflusst.

Der Maler Michael Kunze hält's mit Nietzsche, bezieht sich auf die Halkyonischen Tage, die der Philosoph anführte, wenn ihn das Kopfweh wieder einmal plagte. Diese nach dem Eisvogel benannte Zeit, in der das Tier brütet, beschreibt die klaren Tage um die Wintersonnenwende. Kalt und windstill soll es südlich der Alpen dann sein, weswegen das Kopfweh des in Sils-Maria weilenden Philosophen Linderung erfuhr. Eine gelassene Zeit ist auch gemeint im metaphorischen Sinn – Kopfruhe oder mythisch-klimatische Reinigung.

So verweist die Ausstellung in der Düsseldorfer Kunsthalle mit dem Titel "Halkyonische Tage" auf die Gedankenschwere, die hinter dem Bilderkanon des Münchner Malers steht. "Die kulturkritischen Implikationen der Metapher, die in Nietzsches Zarathustra mit der Vision einer Zeitenwende in Verbindung gebracht werden, sind das Thema seiner transhistorischen Bildwanderungen", sagt Kunsthallenchef Gregor Jansen. Kunze (Jahrgang 1961) ist ein antimoderner Moderner, der sich abseits des Mainstream bewegt – formal wie inhaltlich. Er ist als Künstler ein virtuoser Sonderling, mit niemandem vergleichbar, ohne Vorbild. Nun ist sein vielgestaltiges Werk auf zwei Ebenen in der Kunsthalle ausgebreitet, das den Betrachter fordert. Man wird vor diesen farbstarken, in vielen Schichten bearbeiteten Leinwänden stehen und in die Tiefe dringen – je nach Vorbildung und gemessen an den Bildern des kollektiven Gedächtnisses kann man vieles erkennen, graben, grübeln, forschen und auf eine in Teilen absurde Entdeckungsreise gehen.

Man wird wie der Künstler auf seinem Selbstbildnis vielleicht acht Augen öffnen zum Sehen, Unschärfen dort entdecken, wo Unwichtiges sich auflöst, Schärfen in verdichteten Formen entdecken.

Kunzes Malerei, die in 70 Werken changiert, steckt voller literarischer, philosophischer, film-, kunst- und architekturhistorischer Reflexionen. Über allem steht der monumentale "Morgen", 6 x 6 Meter groß, in sechs Tafeln gearbeitet. Eine formidabel leuchtende gewaltige Paraphrase des aufgehenden Tages. Drei Jahre lang hat der Maler an diesem Werk gearbeitet, ein Bild, das die anderen an Klarheit überstrahlt, das ein einziger ornamentierter Lichtpunkt ist. Einer mittelalterlichen Bildidee entsprungen, ist es geordnet wie eine Glasfensterrosette. Das Licht scheint ohne abfallenden Ton durch alle Ornamente. Sehr nah muss der Betrachter herantreten, um Geschichten zu entdecken, Menschen, Objekte – spannende Details, die sich im großen strahlenden Ensemble verbinden und letztlich wieder verlieren.

Ganz anders die zwei titelgebenden Gemälde, die die "Halkyonischen Tage" beschreiben. Hypothetische Orte sind es, sagt der Künstler: das lichte eine mediterrane Szene, vielleicht eine Mauer im alten Griechenland, von auberginefarbener Bougainvillea überwuchert, der Himmel hellklarblau, zu kleinen Rosetten formt sich der Wind, oben links im Bild ein zersauster Baum. Dem gegenüber das nordisch geprägte Grünidyll, Wald, sanfte Wiesen, ein dramatischer vielfarbiger Himmel – Kopfwehwetter.

Nachempfunden hat Kunze auch Filmstills, Literaten, die seiner Meinung nach auf Picassos "Demoiselles" fehlen, den Dialog zwischen Augstein und Philosoph Heidegger. Zur Ausstellung erscheint ein Künstlerbuch – all dies ist beachtenswert und bildend (bis 30. Juni/www.kunsthalle-duesseldorf.de).

(RP)
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