Wuppertal Rubens' Pracht und Politik

Wuppertal · Das Wuppertaler Von der Heydt-Museum breitet ab kommenden Dienstag eine einmalige Ausstellung mit 50 Bildern und exquisiten Zeichnungen des Barockmalers aus. Die im altmeisterlichen Stil inszenierte Schau wirft auch ein Licht auf den Diplomaten Rubens (1577-1640), der im kriegsgeschüttelten Europa jener Zeit für den Frieden kämpfte.

"Es gibt keinen wie Rubens!" Museumsdirektor Gerhard Finckh hat den größten Maler Nordrhein-Westfalens, wie er den in Siegen geborenen Spross einer Antwerpener Familie nennt, in sein Wuppertaler Museum geholt und ihm dort auf der Bel Etage eine prächtige Inszenierung bereitet. Aus einem kleinen niederländischen Genrebild des 17. Jahrhunderts haben Fachleute eine für damalige Zeiten typische lederne Tapete herauskopiert, die nun vergrößert und grob gerastert in der Ausstellung als Hintergrund dient.

So also hat man sich das vorzustellen, wie damals Rubens' Kunst an den Wänden in den Salons des Adels und des gehobenen Bürgertums hing. Damit die Betrachtung nicht in historischer Versenkung endet, sondern auch die Gegenwärtigkeit des Werkes betont, hat man mit den Tapeten nur in Teilen der Ausstellung gearbeitet. Eine gute Idee der Kuratoren, die vor dem Eintritt in die Ausstellung zudem eine Schärpe roten Samtes mit Kordel aufgehängt haben.

Peter Paul Rubens ist der Barock-Künstler par excellence, in dessen Bildern und Leben sich beispielhaft der Drang seiner Zeitgenossen ausdrückt nach einem umfassenden wie humanistischen Begreifen der Welt. Knapp ein halbes Jahrhundert ist es her, dass einer wie er sich aufmachte zu einer Lebensreise, die vor allem der Kunst galt, wie auch den Wissenschaften und der politischen Diplomatie. Das Genie Rubens galt als umfassend gebildeter Mensch seiner Zeit, dessen Bibliothek Hunderte Bücher umfasste, die man seinerzeit noch selbst gelesen hatte. Er war mehrsprachig, gut aussehend, und in Briefen ist wiederholt die Rede von seiner Ausstrahlung, seinem Charme. Letztere sind sicherlich Eigenschaften, die ihm bei seinen diplomatischen Interventionen zugute kamen.

Was viele Menschen heute von diesem Malergenie kennen, sind vor allem die stattlichen, rubensrunden, meist wenig bekleideten Frauengeschöpfe und die niedlichen Putten. Dies alleine wäre kein Grund, solch eine Ausstellung zu machen und dafür aus vielen Museen der Welt 50 kapitale Werke zusammenzurufen.

Kurator Gerhard Finckh hat vielmehr mit seiner Ko-Kuratorin Nicole Hartje-Grave eine These aufgestellt und danach eine Geschichte erzählt, die von den Anfängen dieses großen Meisters, geboren 1577 in Siegen, bis zu seinem Lebensende, 1640 in Antwerpen, führt. Innerlich sei er ein Zerrissener gewesen – so sieht es der Museumschef. Als Protestant geboren, danach mit der ganzen Familie in Köln zum katholischen Glauben übergetreten, habe Peter Paul Rubens einen dritten Weg gesucht, der einen Ausweg weisen könnte aus dieser seiner Verzweiflung. Rubens habe sich auch aus diesem Grunde mit den Wissenschaften und der antiken Philosophie befasst. Es gebe Bilder, die auf die Antike hinweisen. "Aber", das räumt Finckh ein: "Es gibt keine Beweise. Und doch ist die Antike seine Instanz."

Rubens schuf Porträts, Landschaften, Genrebilder und mythologische Werke, vor allem aber historisch-politische Bilder und religiöse Werke aus dem Geist der katholischen Reform. Doch Rubens ist nicht nur der wichtigste Maler seiner Epoche, sondern er muss auch heute als einer der angesehensten Diplomaten des 17. Jahrhunderts gewürdigt werden. Er verkehrte mit Fürsten, Königen und den Heerführern seiner Zeit, er bewegte sich auf den wichtigen diplomatischen Parketten Europas. Und er war ein Unglückseliger in einer vom Krieg erschütterten Zeit. Rubens setzte sich für Frieden ein, weil er fand, dass es wichtig war, auf Erden ein gutes Leben zu führen.

Dies alles aus seinen Bildern herauszulesen, fällt nicht leicht. "Wir können sie heute nur noch sehr schwer interpretieren", sagt der Kurator, "denn Rubens war auch in seinen Bildern doppeldeutig. Der erste Blick reicht nie, sie zu dechiffrieren." Vorurteilsfrei zu schauen und sich tief in die Bilder zu versenken, ist hingegen angebracht. Es erfreut die Augen, stimuliert die Sinne und durchdringt den Geist.

"Dianas Heimkehr von der Jagd", oben auf dieser Seite abgebildet, um 1616, entstand, nachdem Rubens aus Italien nach Antwerpen zurückgekehrt war. Die Beschäftigung mit dem Erbe antiker Kunst und Literatur bildete einen Eckpfeiler seines Schaffens, nun widmete er sich den mythologischen Themen. Mit Göttin Diana beschäftigt er sich auf diesem prachtvollen Galeriebild, das seinen Reiz aus der Ruhe, der Besonnenheit, der Keuschheit und Sinnlichkeit der jungen Göttin der Jagd bezieht. Mit drei Gefährtinnen hat sie fette Beute gemacht. Drei lüstern dreinschauende Satyrn warten schon auf die Jagdheimkehrerinnen. Sie bieten ihnen nicht nur Obst, sondern sie scheinen sie zu begehren, ihre Blicke lassen sich so lesen.

In dieser friesartigen Komposition konfrontiert Rubens nicht nur das Weibliche mit dem Männlichen – wobei der Speer die Zäsur liefert –, sondern er lässt die ungezügelte Begierde der Satyrn auf die Keuschheit der Frauen stoßen, die als Bezwingerinnen des von Bacchus vertretenen Lustprinzips gelten. Wichtig auch an diesem Bild zu wissen: Dass die Früchte- und Wildstillleben sowie die Hunde in dem Ölgemälde von Frank Snyders gemalt wurden, einem von rund 100 Werkstattmitarbeitern, die oft seine Bilder vollendeten. Nur der Kopf und die Hände sind immer von Rubens gemalt, wie der Meister beim Auftrag des Firnis' stets auch noch einmal selber Hand anlegte.

Was das Auge beschäftigt, sind die Lebendigkeit der Darstellung und die Wirkung der Farben. Hier das sprühende freudvolle Leben, dort weltentrückte, andächtig-fromme Szenen. Vor der "Wildschweinjagd" lässt man sich nieder und beginnt, im Bild zu forschen. Man braucht Zeit, bevor man weiterzieht. "Die Anbetung der Heiligen Drei Könige" ist da, das hohe Bild von "Christus am Kreuz", "Die Heilige Familie". Als Wertschätzung der Familie wird auch "Die Erziehung Mariä" bewertet – die Jungfrau ist in ein blaues Gewand gehüllt; über ihr kreisen Putten, die einen Rosenkranz halten, was als Verweis auf ihre Erwählung zur Gottesmutter zu deuten ist.

Schwer krank verbrachte Rubens seine letzten Jahre, er hatte sich in zweiter Ehe mit seinem 16-jährigen ehemaligen Modell zusammengetan. Während in Europa der Krieg weiter wütete, malte er idyllische Landschaften. Eines dieser kleinen Bilder, "Landschaft mit Viehtränke", bildet den melancholischen Schlussakkord in dieser Auslese.

(RP)
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