Oberhausen Santana macht die Gitarre zum Instrument der Liebe

Oberhausen · Ein alter Hippie mit wehenden Haaren, der seinem Publikum die Liebe erklärt. Wenn man ihn so beschreibt, könnte man meinen, Carlos Santana sei ein lebendes Klischee. Aber wenn der bald 68-Jährige mitten in seinem phantastischen Konzert in der Arena Oberhausen zu einer kurzen Predigt ansetzt, dann ist das ein echter Gänsehaut-Moment, weil er so authentisch wirkt und wahr.

In den 1960er Jahren hat Carlos Santana die E-Gitarre umgedeutet: Bei ihm war sie kein reines Rockinstrument mehr, sondern eine Botschafterin der Liebe, ein Gerät, das Frieden schafft. Genau in diesem Sinne setzt er sie auch vor rund 8000 Besuchern in Oberhausen ein. Sein Konzert beginnt wie sein Woodstock-Auftritt: Das Schlagwerk (Santana hat gleich drei Musiker an Schlagzeug und Percussion auf der Bühne) läutet "Soul Sacrifice" ein, diese heiße Gebräu aus lateinamerikanischen Rhythmen und Rock. Sofort ist in Oberhausen - ganz unironisch - der Geist von 1969, von Hippietum, Beseeltheit, Offenheit und Spiritualität zu spüren. Es wird klar: Das, was heute als Weltmusik Erfolge feiert, hat Santana schon vor Jahrzehnten erfunden.

Mit einer furiosen, zehnköpfigen Band zieht er Hits wie "Maria Maria", "Black Magic Woman" oder "Evil Ways" in die Länge, spielt noch eins seiner butterweichen Soli, vollzieht noch eine Drehung in Richtung anderer Rhythmus-Akzente. Tatsächlich gelingt Santana irgendwann das Kunststück, dass sich die größtenteils langjährigen Fans in der komplett bestuhlten Arena vollständig erheben, bewegen und ihr Herz berühren lassen.

Wo Santanas endlose Medleys bei Open-Air-Auftritten im vergangenen Jahr noch beliebig wirkten wie ein zielloser Jam, sitzt im wohl austarierten Sound der kompakten Arena Oberhausen jeder Ton an der richtigen Stelle. Wenn aus einem Stück ein neues erwächst, ergibt das immer Sinn. Irgendwann erhebt sich aus dem irren Gebräu aus Rock, Salsa und Kuschelpop ("Samba Pa Ti") ein Jazz-Standard: Carlos Santana nutzt Coltranes "A Love Surpreme" als Grundlage für seine Predigt: "Schaut in den Spiegel und sagt: Ich bin Licht und Liebe". In diesem Moment konnte man die Töne seiner Musik atmen.

(RP)
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