Boom oder Blase? Immobilien - mehr als Spekulationsobjekte

Der Immobilienmarkt boomt. Angesichts hoher Preise soll oft das Argument künftiger Wertsteigerung Verbraucher zum Kauf einer Immobilie bewegen.

Die Preise für Immobilien klettern in vielen Regionen stetig. Vor allem in großen Städten müssen Käufer tief in die Tasche greifen. Trotzdem versuchen Verkäufer ihnen das Wohneigentum schmackhaft zu machen: Sie locken Interessenten mit der Aussicht auf Wertzuwachs.

Angesichts der aktuellen Marktlage sehen Experten das Argument der Wertsteigerung aber kritisch. Max Herbst von der FMH-Finanzberatung vergleicht die Prognosen mit "Kaffeesatzleserei". Es gebe keine Garantie, denn niemand wisse, ob in zehn Jahren Rezession herrsche und Eigentümer dann ihre Immobilie noch los werden.

In Ballungsgebieten verlangen Verkäufer häufig das 30- bis 35-fache der Jahreskaltmiete für eine Immobilie. Käufer könnten dies "nie mehr reinholen", erklärt Herbst. Denn im Vergleich zu professionellen Investoren tragen Verbraucher meist hohe Kaufneben- und Verwaltungskosten: "Der Investor kalkuliert über Masse und Mengenrabatt. Der Verbraucher kann das nicht", sagt Herbst. In dem Fall würde eine mögliche Wertsteigerung dem Eigentümer also wenig helfen. Der Zuwachs müsste kräftig ausfallen, damit sich das Geschäft lohnt: Herbst kalkuliert mit 15 Prozent über dem Einkaufspreis. Aufgrund der hohen Einstiegspreise sei derzeit die kaufmännische Maxime "Der Gewinn liegt im Einkauf" kaum zu realisieren.

Auch Helge Ludwig hält wenig davon, Eigentum rein unter dem Gesichtspunkt der Wertsteigerung zu erwerben. Der Sachverständige leitet den Arbeitskreis Bewertung der Gesellschaft für immobilienwirtschaftliche Forschung (gif). Er rückt Aspekte wie Altersvorsorge und Eigennutzung in den Vordergrund und sagt: "Wenn ich mir die Miete erspare, schaffe ich auch Wert."

Seine Überzeugung basiert auf zwei Annahmen. Erstens dem Zwangsspareffekt: Stolze Immobilienbesitzer seien eher bereit, auf Konsum zu verzichten, um sich den Traum vom Eigentum zu erfüllen. Zweitens dem Aufbaueffekt: Sind Zins und Tilgung für das Immobiliendarlehen genau so hoch wie die aktuell gezahlte Miete, baut sich im Laufe der Zeit ein Vermögenswert auf - in Form des Eigentums. Vorausgesetzt, der Käufer kann die Zinsen möglichst lange im Voraus festschreiben. Sonst bekommt er unter Umständen Probleme mit der Anschlussfinanzierung.

Kaufinteressenten sollten also abwägen, ob sie statt der Miete lieber eine Immobilie finanzieren wollen, rät Thomas Hentschel von der Verbrauchzentrale Nordrhein-Westfalen. Aber: Sie sollten nicht um jeden Preis kaufen und sich ein Limit setzen.

Außerdem sollten Käufer überlegen, ob sie in die vermietete Immobilie eventuell später auch selbst einziehen wollen. Wenn ja: besser anstelle der teuren Toplage den günstigeren B-Standort wählen. Denn wichtiger als die Frage nach der Rendite hält Helge Ludwig bei selbstgenutzten Immobilien die Lage. Und die kann auch abseits teurer Ballungsgebiete attraktiv sein. Entscheidend dabei: "Ich will mich wohlfühlen. Schule und Geschäfte in der Nähe haben. Das ist, was zählt", sagt Ludwig.

Wer vermieten will, kann mit den Einnahmen die Hypothek abtragen. Und später, wenn die Immobilie schuldenfrei ist, immer noch selbst einziehen. So schaffen Eigentümer Wertzuwachs - der sieht aber anders aus als die klassische Wertsteigerung, die Makler oft anpreisen. Diese spielt ohnehin erst eine Rolle, wenn jemand die Immobilie irgendwann weiter verkaufen will.

Eines sollten Käufer wissen: Schutz vor ausbleibender Wertsteigerung gibt es nicht. "Ich kann aber den Kredit tilgen und die Immobilie schuldenfrei verkaufen", sagt Max Herbst. Dann erhält man für die Immobilie wenigstens einen erzielbaren Gegenwert - der dann auch sichtbar auf dem eigenen Konto landet.

(RP)
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