Zweite Karriere im Ruhestand Wie Rentner beruflich aktiv bleiben

Berlin/Lüneburg · Für viele Rentner ist mit der Verabschiedung im Betrieb das aktive Leben noch nicht vorbei. Sie fühlen sich fit und möchten auch weiterhin arbeiten, um die Rente aufzubessern, oder um am Ball zu bleiben. Vielen Firmen kommt das entgegen.

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Foto: AP

Als er mit 63 pensioniert wurde, fühlte Helge Dankwarth sich noch längst nicht ruhebedürftig. Deshalb vereinbarte er mit seinem Chef, sich seine Stelle künftig mit seinem Nachfolger zu teilen. Einmal wöchentlich klemmt er sich auch heute noch morgens die Aktentasche unter den Arm und fährt in seine alte Firma. "Die Freitage im Büro genieße ich richtig. Ich begegne vielen jungen Leuten und habe eine sinnvolle Aufgabe - so halte ich mein Gehirn auf Trab", sagt der heute 68-Jährige.

Für viele Rentner ist mit der Übergabe der goldenen Uhr zum Firmenabschied das aktive Leben noch längst nicht vorbei. Sie fühlen sich körperlich und geistig fit und möchten auch weiterhin im Berufsleben mitmischen - auch zur Aufbesserung der Rente. Das kommt auch den Firmen entgegen. "Ältere Arbeitnehmer sind für die Unternehmen sehr wertvoll. Ihre langjährige Berufserfahrung lässt sie gelassen und lösungsorientiert an Probleme herantreten", erklärt Filipos Michalas, Geschäftsführer von "Erfahrung Deutschland". Seine Agentur hat sich auf die Vermittlung von Fach- und Führungskräften im Ruhestand spezialisiert.

"Viele Menschen unterschätzen, wie wichtig eine sinnvolle Beschäftigung für das eigene Wohlbefinden ist. Der Ruhestand kann noch lang sein, und allein die Gartenarbeit stellt nicht jeden zufrieden", gibt der Personalfachmann zu bedenken. "Ich rate älteren Arbeitnehmern daher, sich schon frühzeitig um Optionen für später zu kümmern." Dazu gehört, dass man in seinem Fachbereich kontinuierlich am Ball bleibt. Fachmedien, Gesprächskreise und Kongresse können dabei helfen, sich über neue Entwicklungen der Branche informieren. "Auch ein stabiles Business-Netzwerk ist für die Arbeitssuche nach dem Renteneintritt wichtig. Man sollte daher nicht nachlassen, Visitenkarten zu sammeln und Geschäftsbeziehungen zu pflegen", sagt Michalas.

Programme für Ruheständler

Auf der Suche nach einem Einsatzgebiet sollte man erst einmal seine ehemalige Firma kontaktieren. "Viele Firmen bieten bereits spezielle Programme für ihre Ruheständler an. Sie sorgen dafür, dass die ausgeschiedenen Mitarbeiter weiter im Kontakt mit der Firma stehen und akquirieren sie gezielt", sagt Filipos Michalas. Aber auch individuelle Regelungen seien keine Seltenheit. Von der Bewerbung auf normale Stellenausschreibungen rät Michallas Ruheständlern ab. "Über Annoncen werden meist Leute für eine längerfristige Festanstellung gesucht. Besser ist es, sich als älterer Arbeitnehmer initiativ oder über eine Agentur zu bewerben - dann sind die Voraussetzungen schon im Vorfeld geklärt", sagt er.

"Viele Einrichtungen wie beispielsweise Arbeitsämter und Volkshochschulen haben sich schon auf die Situation der älteren Arbeitssuchenden eingestellt und bieten entsprechende Beratungen an", sagt Leena Maxin, stellvertretende Projektleiterin beim Forschungsprojekt "Silver Workers - Tätigkeitsfelder im Ruhestand" der Leuphana Universität Lüneburg. Auch spezielle Weiterbildungen für Senioren gebe es bereits. "Allerdings sollten sich Ruheständler nicht scheuen, auch an Fortbildungen teilzunehmen, die nicht speziell für ältere Menschen konzipiert sind. Auch dort haben sie gute Chancen auf Erfolg", sagt die Wirtschaftspsychologin.

Projekteinsätze in Entwicklungsländern

Die Einsatzmöglichkeiten von Führungskräften im Ruhestand sind vielfältig. Oft werden sie gebraucht, um mit ihrer Erfahrung und ihrem fundiertem Wissen ein Team von jüngeren Mitarbeitern zu coachen. Auch ehrenamtliche Tätigkeiten sind denkbar. Dieter Seipp, der beim Senior Experten Service in Bonn aus dem Arbeitsleben Ausgeschiedene für unentgeltliche Projekteinsätze in Entwicklungsländer vermittelt, sieht positive Auswirkungen für beide Seiten: "Nicht nur die Einheimischen profitieren vom Wissensschatz der Senioren. Die Experten leben vor Ort oft in Familien und schließen wertvolle Freundschaften. Zurück in Deutschland sind viele unserer Ruheständler extrem motiviert und entwickeln eigene gemeinnützige Konzepte", berichtet Seipp.

Die Zusammenarbeit zwischen jungen Nachwuchskräften und erfahrenen Ruheständlern ist nicht immer einfach. Jüngere Arbeitnehmer fühlen sich von ihren älteren Kollegen oft belehrt und gegängelt. "Es ist wichtig, dass beide Seiten sich als Team verstehen und auch die 'alten Hasen' den Jüngeren Respekt und Anerkennung entgegenbringen. Ein 70-Jähriger kann sich auch mal etwas von einem 25-Jährigen erklären lassen", gibt Leena Maxin zu bedenken. Nur so entstehe ein gleichwertiges Zusammenspiel der verschiedenen Generationen, von dem alle profitierten.

Die rechtlichen Rahmenbedingungen für einen Zuverdienst zur Rente sollte man am besten schon vor dem Ruhestand abklären. "In manchen Rentenvereinbarungen gibt es Klauseln, die die Zuverdienstmöglichkeit einschränken. Darauf sollte man vor dem Unterschreiben achten", sagt Michalas. Oft bestehe aber auch nachträglich noch die Möglichkeit, den Bezug der Rente einfach für einige Zeit auszusetzen, so lange man an einem anderen Projekt arbeitet.

(afp2/RPO)
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