Häufigstes Handproblem Schnappfinger — das kann man dagegen tun

Bonn · Kraftvoll zuzupacken, ist kein Problem. Doch beim Loslassen rastet ein Finger in der eingeknickten Position ein und lässt sich nur mit viel Kraft lösen, dabei springt er nach vorne. Schnappender Finger nennt sich das häufigste handchirurgische Phänomen.

Bei unzähligen Dingen kommen täglich die Finger zum Einsatz: Wir greifen, lassen los, schneiden oder tippen — in Summe bewegt der Mensch unglaubliche 22.000 Mal am Tag seine Finger. Für manche Sehne kann das zu viel werden. Sie verdickt und entzündet sich. Dadurch wird der betroffene Finger in seiner Beweglichkeit eingeschränkt und lässt sich nur unter Anstrengung aus der Beugung wieder strecken.

So wie bei Werner Dohmen. "Erst habe ich gar nicht so richtig wahrgenommen, dass mit meinem Ringfinger etwas nicht stimmt", sagt er. Nach einem Wochenende mit intensiver Gartenarbeit dachte er an eine kurzzeitige Überlastung. Doch das Problem hielt an. An den darauffolgenden Tagen wurde für ihn immer offensichtlicher, dass sich das von alleine nicht gibt: "Wenn ich ein Glas abstellte und es loslassen wollte, blieb der Finger angewinkelt und schnellte zeitverzögert auf", sagt Dohmen.

Genau das gibt der Erkrankung ihren Namen. Als schnellender Finger, Schnapp- oder Springfinger bezeichnet der Volksmund das Leiden, das Mediziner "Tendovaginitis stenosans" nennen. "Es ist die häufigste handchirurgische Erkrankung", sagt Martin Richter, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Handchirurgie. Um einen Springfinger zu diagnostizieren braucht es nichts weiter als die körperliche Untersuchung. Oft lässt sich die Verdickung beim Abtasten des Fingers wie ein Knötchen ertasten.

"Ganz offensichtlich wird die Einschränkung beim Ballen der Faust. Dann rastet der betroffenen Finger förmlich ein. Wenn die Hand sich öffnet, bleibt er in dieser Position. Zunächst schnellt er mit Anstrengung verspätet auf. Später ist es möglich, dass er gar nicht mehr aus eigener Kraft in die Streckung kommt und man ihn mit der anderen Hand und etwas Gewalt strecken muss", sagt der Handspezialist. In diesem Stadium kann die Erkrankung sehr schmerzhaft sein.

Schon in der Anfangsphase bemerkte auch Werner Dohmen "ein Ziehen am Finger und der Handinnenfläche". Es können sich auch erste Anzeichen der Erkrankung zeigen, schon bevor der Finger unübersehbar schnappt. Verursacht wird das noch leichte Schmerzgefühl am Mittelhandköpfchen — dort, wo der Finger in die Hand mündet — durch eine Verdickung an der Beugesehne seines Ringfingers. "Diese verläuft, wie an den anderen Fingern auch, durch einen Halbring, der die Sehne wie ein Eisenbahntunnel am Knochen hält und in die Mitte der Hohlhand führt", sagt Richter. Verdickt sich die Sehne, gleitet sie nicht mehr durch die enge Passstelle des Ringbandes, die Sehnenscheide.

Das Problem ist ein rein mechanisches, sagt Richter. Wodurch es ausgelöst wird, ist allerdings nicht geklärt. Vermutet wird, dass neben Veranlagung auch Überlastung oder Verletzungen eine Rolle spielen könnten. Diese führen nach Ansicht des Bonner Handchirurgen möglicherweise zu einer Entzündung der Sehne.

Am häufigsten seien der Daumen betroffen, gefolgt vom Ringfinger. Kurios: Gerade nach der Nachtruhe, in der die Finger entlastet sind, ist die Bewegung oftmals stärker eingeschränkt. Martin Richter nennt den Grund dafür: "In der nächtlichen Ruhigstellung lagert die Sehne Wasser ein. Bei der morgendlichen Bewegung wird die Sehne dann wie eine Zitrone ausgepresst. Dadurch empfinden die Betroffenen die ersten Bewegungen als besonders unangenehm."

Nur in leichten Fällen verschwindet die Erkrankung von selbst wieder. Meist kommt man um eine Behandlung nicht herum. Die kann entweder konservativ oder operativ erfolgen. In einem ersten Schritt wird der Arzt versuchen, die Entzündung der Sehne zu behandeln. Während man das früher mit entzündungshemmenden Wirkstoffen wie Ibuprofen oder Diclofenac versuchte, die Entzündung zu kurieren, spritzt man heute eher Kortison an das betroffene Ringband. "Im besten Fall schwillt dadurch die Sehne ab, der Teufelskreis der durch die dauernde Reizung entsteht wird durchbrochen und die Erkrankung kann ausheilen. "Eine englische Studie konnte zeigen, dass man durch bis zu zwei Kortisoninjektionen zwei Drittel der Patienten komplett heilen kann", sagt Richter.

Nur wenn das nicht gelingt, ist eine Operation unausweichlich. Dabei handelt es sich um einen kleinen Eingriff, der unter lokaler Betäubung stattfindet. Durch einen kleinen Schnitt in der Innenhand gelangt der Handchirurg an das Ringband und durchtrennt es. "Bei mir war es eine Sache von wenigen Minuten", sagt Werner Dohmen. Nach rund zehn Tagen werden die Fäden gezogen und der Finger ist wieder normal funktionsfähig.

(wat)
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