Mittel gegen Sodbrennen Wie gefährlich sind Magensäureblocker wirklich?

Düsseldorf · Sodbrennen, Aufstoßen, Magendrücken – Millionen Deutsche schlucken dagegen regelmäßig Magensäureblocker. Was bei manchen Erkrankungen sinnvoll ist, birgt in anderen Fällen Risiken. Wir erklären Ihnen, welche.

Frau mit Sodbrennen (Symbolbild).

Frau mit Sodbrennen (Symbolbild).

Foto: Shutterstock/Tharakorn

Sodbrennen, Aufstoßen, Magendrücken — Millionen Deutsche schlucken dagegen regelmäßig Magensäureblocker. Was bei manchen Erkrankungen sinnvoll ist, birgt in anderen Fällen Risiken. Wir erklären Ihnen, welche.

Magensäureblocker wie Pantoprazol oder Omeprazol gehören hierzulande zu den am häufigsten eingenommenen Medikamenten. Laut aktuellem Arzneimittel-Report werden diese sogenannten Protonenpumpeninhibitoren (PPI) inzwischen fast dreimal so häufig verordnet wie noch vor zehn Jahren. 3,7 Milliarden Tagesdosen schluckten die Deutschen im Jahr 2015. Hinzu kommen die Tabletten, die rezeptfrei über die Ladentheke gehen. Denn seit 2009 sind solche Magenmittel auch ohne ärztliche Verordnung in den Apotheken zu bekommen.

Die Folge: Viele nehmen Magensäureblocker nach Einschätzung der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) über zu lange Zeit ein - und gegen Beschwerden, für die das an sich hoch potente Mittel nicht geeignet ist. Die Fachgesellschaft beobachtet das mit Sorge, denn in jüngster Zeit mehrten sich die Hinweise darauf, dass eine langfristige Einnahme von PPI mehr Nebenwirkungen verursachen könnte, als vielen bekannt ist.

Das sind die Risiken bei unkontrollierter Langzeiteinnahme

Zu den unter Wissenschaftlern diskutierten Gefahren zählen ein erhöhtes Risiko für Knochenbrüche und Osteoporose. Auch von Entzündungen durch die Veränderung der Darmflora ist die Rede. Verschiedene Untersuchungen deuten auf ein vermehrtes Auftreten von Infektionen mit Brechdurchfall-Erregern hin. Wissenschaftlich nicht hinreichend belegt ist der Zusammenhang zu Demenz, vermehrten Herzinfarkten oder Nierenversagen.

Dennoch, so betonen Mediziner, sei die Einnahme richtig - und zwar bei der gezielten und ärztlich begleiteten Therapie säurebedingter Erkrankungen wie der Refluxkrankheit, Magengeschwüren oder krankhaften Veränderungen der Speiseröhre. Auch Matthias Wenning, Gastroenterologe am Sankt Martinus-Krankenhaus in Düsseldorf, hält den Einsatz in diesen Bereichen für konkurrenzlos. Ebenfalls unverzichtbar seien PPI als Magenschutz zur Vorsorge von Magenblutungen, sagt Matthias Ebert, Gastroenterologe am Uniklinikum Mannheim. Diese drohen bei der langfristigen Einnahme von Medikamenten wie Acetylsalicylsäure (Wirkstoff in Kopfschmerzmedikamenten) oder bestimmter Antirheumatika.

Wann man die Finger von Magensäureblockern lassen sollte

Was die Fachärzte hingegen mit Sorge beobachten: Häufig werden Magensäureblocker ohne klare Diagnose oder gegen Beschwerden eingenommen, bei denen die Wirkung nicht nachgewiesen ist. Allen Leiden voran: der Reizmagen. Verbreitet sei zudem die Einnahme auf eigene Faust, wenn sich ernährungsbedingte Beschwerden wie Magendruck, Aufstoßen, Völlegefühl oder Übelkeit bemerkbar machten. "In vielen Fällen wäre den Betroffenen eher geholfen, wenn sie weniger fettig essen, weniger Alkohol trinken sowie das Rauchen einstellen würden", sagt Wenning.

Bei gelegentlichem ernährungsbedingtem Sodbrennen kann der kurzzeitige Einsatz sogenannter H-2-Blocker helfen. Auch diese rezeptfrei erhältlichen Mittel reduzieren die Säureproduktion. Nachteil des Arzneimittels: Die Belegzellen gewöhnen sich an das Medikament. Nach mehreren Wochen kommt es zur Toleranzentwicklung. Bei mäßigen Beschwerden bringen daneben sogenannte Antazida Linderung. Sie neutralisieren die Magensäure. Ihr Nachteil: Sie wirken nur für wenige Stunden.

PPI führen schnell zu Dauereinnahme

Im Vergleich zu diesen Mitteln kann aus dem gelegentlichen Griff zu PPI leicht eine Dauereinnahme werden. Der Grund: "Nach dem Absetzen kann es schnell zum sogenannten Rebound-Effekt kommen", sagt Christian Trautwein, Sprecher der DGVS und Gastroenterologe am Klinikum Aachen. Der Körper produziert durch Umstellungsprobleme nach der medikamentösen Säuredrosselung manchmal deutlich mehr Säure als zuvor. Eine dänische Meta-Analyse bestätigt das. In zwei von fünf Studien berichteten 44 Prozent der Patienten nach PPI-Einnahme von säurebedingten Beschwerden, die bis zu einen Monat anhielten. Das verleitet viele zur erneuten Einnahme auf eigene Faust.

Reduzieren lässt sich nach Aussage der Gastroentrologen der Rebound-Effekt durch das sogenannte Ausschleichen der PPIs: Dabei wird das Mittel nicht einfach abgesetzt, sondern schrittweise und über einen längeren Zeitraum hinweg reduziert. Schließlich kann dann ganz darauf verzichtet werden.

Wer die Säureblocker hingegen monate- oder gar jahrelang in Eigenregie nimmt, provoziert Komplikationen. "Es kann dann zu Veränderungen des Knochenstoffwechsels kommen", sagt Trautwein. Denn die Magensäureblocker bewirken eine schlechtere Aufnahme von Calcium und Vitamin D. Bei Patienten jedoch, die das Medikament ärztlich verordnet über eine lange Zeit einnehmen, sei das Risiko minimiert - unter anderem durch eine regelmäßige Blutkontrolle, sagt der Aachener Facharzt.

Weitere Risiken lauern bei der Einnahme in Eigenregie durch mögliche Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln. "Herzpatienten mit Stents riskieren beispielsweise durch eine langfristige Einnahme von Omeprazol oder Pantoprazol, dass sich der Stent zusetzt", sagt Wenning. Einige Herzmedikamente können außerdem ihre Wirksamkeit verlieren, und auch mit Blutgerinnungshemmern wie beispielsweise Marcumar seien Wechselwirkungen möglich.

(wat)
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