Wenn das Pfeifen nicht mehr aufhört Tinnitus — Alarm aus dem Ohr

Düsseldorf · Plötzlich hört man etwas, das kein anderer hören kann: Pfeifen, Klirren oder Rauschen. Etwa drei Millionen Menschen in Deutschland leiden nach einer Studie der Deutschen Tinnitus-Liga e.V. (DTL) unter einem permanenten Ohrgeräusch. Viele frisst das auf Dauer psychisch an.

Zehn Fakten zum Tinnitus
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Foto: Techniker Krankenkasse

Es kommt ganz plötzlich: Ein Pfeifen im Ohr, Rauschen, ein Druckgefühl, als hätte man ein Stück Watte im Ohr und eine Hörminderung können Anzeichen für einen Tinnitus sein. Auf der Seite der DTL kann man sich ein Tinnitus-Geräusch, wie es häufig auftritt anhören. Begleitet wird das Symptom gelegentlich von Ohrensausen, Schwindel oder Gleichgewichtsstörungen.

In jedem Fall empfehlen Experten, schleunigst einen Hals-Nasen-Ohrenarzt oder die Ambulanz eines Krankenhauses aufzusuchen. Das, was in akuten Zustand meist noch heilbar ist, wird man - ist es erst einmal chronisch -, selten wieder los. Als chronisch bezeichnen Mediziner den Tinnitus, wenn er bereits über mehrere Wochen andauert.

Viele Auslöser - ein Leiden

Allein 1,5 Millionen Bundesbürger empfinden ihren Tinnitus als mittelschwer oder sogar unerträglich. Das belegen die Zahlen einer epidemiologischen Studie der Deutschen Tinnitus-Liga (DTL). Die Anzahl der Menschen, die unter den quälenden Ohrgeräuschen leiden und derer, die unter Diabetes leiden, ist vergleichbar hoch. Ein Volksleiden gesellt sich zum anderen und manchmal haben sie sogar miteinander zu tun.

Ursache des Dauergeräuschs im Ohr können Hörbeeinträchtigungen sein, Lärmschäden und andere organische Erkrankungen. Manchmal ist es ein banaler Ohrschmalzpfropfen, der das Geräusch im Ohr verursacht. Doch auch Probleme mit der Halswirbelsäule oder im Zahn-Kiefer-Bereich kommen als Auslöser in Betracht. Die Berliner Universitätsklinik Charité weist zudem auf eine Reihe von internistischen Erkrankungen, wie z.B. Diabetes, Fettstoffwechselstörungen und Bluthochdruck hin, die das Ohrensausen verursachen können.

Hindeuten kann der Tinnitus zudem auf einen Hörsturz oder eine Erkrankung wie Morbus Menière, die mit Drehschwindel und Schwerhörigkeit einher gehen kann. Mediziner gehen allgemein davon aus, dass beim akuten Tinnitus das Innenohr zu schlecht durchblutet ist. Vor allem Berufstätige zwischen 25 und 55 Jahren sind von den dauernden Ohrgeräuschen betroffen.

Häufig ist ein Tinnitus psychosomatisch bedingt und kann durch Faktoren wie Stress oder Erschöpfung ausgelöst werden. Darauf macht die Initiative Hören e.V. aufmerksam. Nicht immer werden aber Ursachen für das Rauschen und Pfeifen gefunden. Tinnitus wird darum in der Regel auch nicht als Krankheit, sondern als Symptom bezeichnet, das auf eine gesundheitliche Beeinträchtigung hinweist.

Wodurch pfeift es im Ohr?

Aber was führt zu dem Pfeifen im Ohr? Man geht heute davon aus, dass Nervenzellen der Hörbahnen im Gehirn von sich aus Impulse aussenden und so Töne oder Geräusche entstehen. So erklären es die Experten der Fördergemeinschaft Gutes Hören e.V.. Als Folge einer Mangeldurchblutung werden die signalverarbeitenden Haarzellen im Innenohr nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgt, was zu Funktionsminderung oder gar zum Absterben der Zellen führen kann.

Im Akutfall handeln

Häufig lassen sich die Ursachen gut behandeln und beheben. Im Akutfall versucht der Facharzt mit Infusionen, die auch Kortison enthalten können, die Durchblutung des Ohrs anzuregen und so die Sinneszellen im Innenohr wieder zu aktivieren. Umstritten ist die Sauerstofftherapie. Dadurch soll der Sauerstoffmangel im Innenohr ausgeglichen werden.

Die Tinnitus-Liga weist darauf hin, dass die einzige Möglichkeit, Sauerstoff dorthin zu bringen die ist, den Außendruck zu erhöhen, sich also in eine Druckkammer zu setzen. Diese Therapie nennt sich "Hyperbare Sauerstofftherapie", helfe aber im chronischen Fall lediglich noch in 20 Prozent der Fälle. Sauerstoffatmung unter Normalbedingungen sei oft nur Geldmacherei, da unter normalen Druckverhältnissen unsere Blutkörperchen mit Sauerstoff voll gesättigt seien. Ergebnis: Sie können keinen weiteren Sauerstoff mehr aufnehmen.

Was man bei chronischem Tinnitus tun kann

Neben den Behandlungsmöglichkeiten im Aktutfall gibt es auch Hilfen für die chronisch Kranken. Viele überfordert der vorhandene Geräuschmix mit der Zeit. Den Betroffenen brauchen dann oft psychotherapeutische Maßnahmen. Hilfreich ist für manchen die Tinnitus-Retraining-Therapie. Retraining bedeutet so viel wie zurücktrainieren oder umlernen. Ziel der Therapie ist es, dass der Patient lernt, den Tinnitus zu überhören, indem er an seiner Aufmerksamkeit und Wahrnehmung arbeitet. Bei dieser Therapieform arbeiten Ärzte, Psychologen und Hörakustiker eng zusammen, um die Betroffenen zu unterstützen.

Als lindernd empfinden Tinnitus-Geplagte Tinnitus-Maskers oder Hörgeräte mit Noiser. Der Tinnitus wird dabei durch das Zuspielen eines leisen Therapierauschens überlagert, wodurch der Patient sein dauerndes Ohrgeräusch leichter ausblenden kann. Wichtig ist nach Informationen der Berliner Charité, dass das Geräusch den Tinnitus nicht überlagert. Dann nämlich könne sich der Patient nicht an das Dauergeräusch des Tinnitus gewöhnen.

Alternative Behandlungsformen

Neben den klassischen Behandlungsformen werden auch alternative Therapien wie u.a. Homöopathie, Akupunktur, Traditionelle Chinesische Medizin, Biofeedback oder Magnetfeldtherapien angeboten. Die Tinnitus-Liga weist darauf hin, das diese im Einzelfall lindern können, da sie zur Verbesserung des Allgemeinzustandes beitragen. Die Wissenschaft diesen Behandlungsformen allerdings skeptisch gegenüberstehe.

"Je größer das Verspreche auf völlige Heilung, und je höher der Preis für die Therapie, desto skeptischer sollte man sein", äußert Elke Knör, Präsidentin der DTL. Tinnitus sei ein viel zu komplexes Phänomen, als dass eine einzelne Therapie oder ein Medikament einen hohen Allheilerfolg erzielen könne. Zehn Fragen und Antworten rund um Ursachen und Therapiemöglichkeiten beim Tinnitus finden Sie hier.

Übrigens: manchmal ist das Problem ganz profan: Haben Sie vielleicht einfach nur Wasser im Ohr?

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