Psychologie Wie uns Routine im Alltag hilft

Düsseldorf · Routine das klingt öde, nach Langeweile – immer gleichen Abläufen. Das ist spießig und ohne jede Leidenschaft. Doch beschert sie uns auch unglaubliche Vorteile. Welche das sind und welche Tücke sich dahinter verbirgt, lesen Sie hier.

 Zähneputzen gehört zu den häufigsten Routinehandlungen im Alltag. (Symbolbild)

Zähneputzen gehört zu den häufigsten Routinehandlungen im Alltag. (Symbolbild)

Foto: Shutterstock/ArtOfPhotos

Routine das klingt öde, nach Langeweile — immer gleichen Abläufen. Das ist spießig und ohne jede Leidenschaft. Doch beschert sie uns auch unglaubliche Vorteile. Welche das sind und welche Tücke sich dahinter verbirgt, lesen Sie hier.

Facebook-Gründer Mark Zuckerberg macht sich täglich die Wahl seiner Kleidung leicht. Angeblich greift er jeden Morgen zum gleichen grauen T-Shirt. Langweilig könnten die einen sagen. Schlau, sagen die anderen. Denn wer Routinen nutzt, der ist klar im Vorteil. So das Ergebnis der psychologischen Forschung.

Warum eigentlich? Mit einem Durchschnittsgewicht von 1300 bis 1500 Gramm hat das menschliche Gehirn einen Anteil von etwa zwei Prozent vom Körpergewicht. Doch es verbraucht beinahe 20 Prozent des Energieumsatzes im Körper. Damit macht es vor allem mit einer Eigenschaft auf sich aufmerksam: Es ist ein Energiefresser. Doch die Natur hat für dieses Problem eine probate Lösung gefunden. Die nennt sich Routine.

Routinen führen dazu, dass wir uns wohl fühlen

Zähneputzen am Morgen: Man geht ganz automatisch ins Badezimmer, weißt, wie man die Zahnbürste halten muss und kann dabei sogar die Augen schließen. Niemand muss darüber nachdenken wie die Suppe in den Mund kommen soll. Auch das Fahrradfahren muss niemand jedes Mal neu erlernen. Das alles sind alltägliche Automatismen, die wie von selbst funktionieren. Sie sorgen dafür, dass wir uns wohl fühlen.

Wir sparen Zeit und Energie

Das Gehirn liebt solche Gewohnheiten und schüttet Belohnungsstoffe aus, wenn es Routinehandlungen ausführen kann. Klarer Vorteil von Routinen: "Durch sie sparen wir Zeit und Energie", sagt Alexandra Miethner vom Berufsverband Deutscher Psychologen. Um das genau zu verstehen, schlägt sie eine Übung vor: Greifen Sie nach der Tasse auf ihrem Schreibtisch und beschreiben Sie dabei jede einzelnen Schritt, der dafür erforderlich ist. Wer das macht, merkt, dass es mit der Kurzfassung "Gedanke Tasse nehmen", "Arm strecken", "zugreifen"," festhalten" bei weitem nicht getan ist. Unzählige Minischritte wären notwendig, wollte man die Bewegung bewusst ausführen.

Das Problem bewusster Handlungen: Man ist ausschließlich darauf fokussiert und kann nichts anderes machen. Routinen aber führen einfach nebenher aus. Wir greifen nach der Tasse, während wir mit Kollegen reden. Wir greifen zur Tasse, während wir gemütlich am Frühstückstisch die Tageszeitung lesen, oder wir tun es, während wir über den Tagesplan nachdenken.

Routinen entstressen uns

Das ist vor allem deshalb praktisch, weil es uns vor Stress bewahrt. Rund 43 Prozent unseres Alltags läuft rein automatisiert ab, fand die US-Psychologin Wendy Wood in einer Studie heraus. Routinen umfassen all jene Handlungen, die wir ausführen, ohne über sie nachzudenken, aber mit einem konkreten Ziel vor Augen. Auf den ersten Blick würde das keiner meinen. Die meisten sind laut Wood davon überzeugt, die meisten Dinge bewusst zu entscheiden.

Fast jeder hat eine Morgenroutine, die ihn schnell und sicher in den Tag starten lässt. Die Gewohnheit "Wecker ausstellen, Licht anmachen, Jalousie hochziehen, ins Bad gehen, Zähne putzen", lässt im Kopf Platz für andere Dinge. So geht mancher morgens vorm Spiegel und während er sich in Routine die Haare kämmt, im Geiste die Präsentation durch, die er an diesem Tag halten will.

Automatisierungen entlasten das Gehirn

Verhaltensmuster richtig eingesetzt, helfen das Leben im Fluss zu halten. Man hat dadurch den Rücken frei, um auf neue Ideen zu kommen, uns mit ungewohnten oder neuen Dingen auseinanderzusetzen oder Probleme zu lösen. Routinen sind eine fantastische Möglichkeit das Gehirn zu entlasten, damit es sich auf andere Dinge konzentrieren kann.

Wie aber kommen wir zu unseren Routinen? Sozialpsychologe Tilmann Betsch gibt ein Beispiel dazu: Sie kommen in eine fremde Stadt, in der Sie abends essen gehen möchten. Sie kennen sich nicht aus und beginnen darum zu "Kontextualisieren". Das heißt: Sieht man sich in einer Situation neuen Anforderungen gegenüber, erforscht man, wie man sie am besten lösen können und legen uns dann eine neue Art zu, darauf zu reagieren.

In Bezug auf die Suche nach einem Lokal sammeln wir Informationen, fragen vielleicht Einheimische, schauen in den Reiseführer geschaut und kommen zu einem Ergebnis. "Wenn man sich für ein Lokal entscheidet, hat man einmal eine Lösung gefunden. Das ist der erste Schritt zur Routine. Denn würde man nun ein zweites Mal in derselben Stadt sein, wird man auf das erfolgreiche Lösungsmuster erneut zugreifen und wieder in dieses Lokal gehen. Je häufiger man auf dieses Muster zurückgreift, desto mehr festigt sich die Routine. Dieser Habitus werde eingefroren, sagt Betsch.

In welchen Situationen greift man auf Routinen zurück?

"In wiederkehrenden Situationen", sagt der Erfurter Psychologe. Immer dann. Wenn schnelle Entscheidungen getroffen werden müssen, sagt Alexandra Miethner. Automatismen können lebensrettend sein. Nur Dank Routinen können wir auch in potentiell gefährlichen Situationen richtig reagieren.

Solange sich die Welt nicht verändert, sind solche Routinen toll. Aber leider ist die Welt nicht immer gleich. Das genau ist die Tücke der Routine: eine Fehlentscheidung. Verwenden Menschen ihre übliche Routine, doch die Situation ist anders, passt diese Automatisierung nicht. Das kann beispielsweise bei Feuerwehrleuten oder Piloten fatale Folgen haben, sagt Betsch. "Die meisten schweren Unfälle in der Luftfahrt passieren wegen Routinen.

Je häufiger ein Automatismus zum Einsatz kommt, desto eher führt er zu sogenannten Routinefehlern. Wir werden schlechter darin, Veränderungen zu sehen und unser Verhalten bewusst anzupassen.

Die beste Art und Weise, sich davor zu schützen ist es, hin und wieder einige Automatismen im Alltag aufzubrechen. Wer es satt ist, immer ins gleiche Lokal zu gehen, sollte ebenso einmal die Strategie ändern und zum Beispiel einen Restaurantführer zur Hand nehmen, statt dem üblichen ausgetretenen Weg zu folgen. Anwenden lässt sich das Prinzip in jedem Bereich: Variieren Sie den Weg zur Arbeit einmal oder gehen sie einmal zu Fuß, rät Miethner. Oder nehmen Sie sich für den Weg vor, auf Details zu achten, die sie sonst nicht wahrnehmen. "Versuchen Sie den Weg einmal mehr durch die Nase zu erkunden. Wie riecht mein Weg?" Was sich albern anhört, schult die bewusste Wahrnehmung und die Flexibilität im Handeln.

(wat)
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