Die Luft ist rein Heilklima-Wandern im Taunus

Königstein · In Königstein im Taunus gibt es ein Schnupperangebot der besonderen Art: Wandern im Heilklima. Die "Champagnerluft" ist ein Markenzeichen der Gegend. Eine Kostprobe.

Taunus: Wandern im Heilklima
8 Bilder

Taunus: Wandern im Heilklima

8 Bilder

Kein Auto, kein Handyklingeln, kein Surren der Klimaanlage. Nur ein paar hundert Meter vom Hotel wird es ganz still. Hier im Wald hört man nur das Tröpfeln des Regens auf den Blättern der Bäume. Es riecht nach Moos und Erde, die Luft ist feucht. Champagnerluft nennen Kenner sie. Sie ist ein Markenzeichen der Gegend von Königstein im Taunus. Denn es ist ein heilklimatischer Kurort. Und wer will, kann unter professioneller Anleitung Heilklima-Wanderungen unternehmen.

Zum Beispiel mit der Heilklima-Therapeutin Elizabeth Gabli. Das Prinzip ist einfach, erklärt sie. Bewegung ist gesund. Und Wandern bei Wind und Wetter härtet ab und trainiert die Abwehrkräfte. Zurück zur Natur ist also das Motto. Denn der moderne Mensch bewegt sich zu wenig und sitzt zu viel drinnen im Warmen. Moment, aber frische Luft gibt es doch überall, oder? Das schon, aber eben kein Heilklima. Hier ist die Luft besonders rein und das Klima gut für die Gesundheit, erläutert der Deutsche Heilbäderverband. 50 Orte in Deutschland dürfen damit werben. Die Luftqualität hat der Deutsche Wetterdienst begutachtet.

Das Besondere in Königstein: Hier hat 2005 der erste Heilklimapark Deutschlands eröffnet, erklärt Dorothea Giegling, Sprecherin der Stadt. Darin gibt es ein Netz von Wegen, die speziell fürs Heilklima-Wandern vermessen und klassifiziert sind. Schilder zeigen dabei die drei Schwierigkeitsstufen an: grün für gering, gelb für mittel und rot für hoch. Das umfasst zum einen, wie stark der Weg die Wandererbeine fordert. Hinzu kommt, wie sehr der Körper durch klimatische Einflüsse auf der Strecke angeregt wird. Ähnliche Parks gibt es heute in Tegernsee und Bad Tölz in Bayern sowie in Nümbrecht in Nordrhein-Westfalen.

Gut, dann mal los. Vom Waldrand aus geht ein gelber Weg tiefer hinein ins Luftbad. Gleich mal einen Schluck probieren, also einmal tief einatmen und schnuppern: Riecht irgendwie frisch, vielleicht ein wenig nach Kiefernzapfen und Harz. Gut, Champagner kann man nicht direkt herausschmecken. Aber wahrscheinlich ist die eigene Nase einfach nur von Abgasen und Stadtluft verdorben. Und das soll etwas bewirken? Martina Lehmann glaubt jedenfalls fest daran. Sie lebt seit Jahren hier und geht oft im Wald spazieren. "Da merkt man schon den Unterschied", sagt sie. Sie kam vor längerer Zeit aus Mainz hierher und hatte zuvor oft mit Nebenhöhlenentzündungen zu kämpfen. "Nach ein paar Tagen hier war das weg."

Also weiter. Das Tröpfeln wird stärker. Aber gut, ruhig mal etwas Regen abbekommen, das regt das Immunsystem an. Puh, das ist jetzt aber die echte Abhärtung: Der Regen pladdert nur so ins Gesicht. Der Weg wird matschig, die Füße nass. Soll das gesund sein? Wohl kaum. Also erstmal zurück ins Hotel und unter eine warme Dusche. Oder war das falsch, und nur Weicheier kehren um? Und der echte Klimawanderer hätte sich sogar noch die Regenjacke ausgezogen und wäre mit nacktem Oberkörper weitergegangen? Nein, erklärt Klima-Therapeutin Gabli später. Kältereize wie etwas Regen und Wind um die Nase können zwar anregend sein. Wer nasse Füße hat und friert, dem droht aber bloß eine Erkältung.

Nächster Tag, neuer Versuch. Heute weht eine frische Brise, die kühle Luft lässt einen kurz frösteln. Recht so, ruhig mal den Wind auf der Haut spüren. An der nächsten Ecke bricht die Sonne kurz durch die Wipfel, das ist gut fürs Vitamin D. Es geht bergauf, der Atem etwas schwerer, der Puls dafür schneller, ein paar Schweißtropfen bilden sich. Prima, da kommt mehr Heilklimaluft in die Lungen. Ob sie schon wirkt? Ein Falter flattert vorbei und überholt einen scheinbar mühelos. Frechheit! Ein paar Meter weiter bestaunen zwei Teenager ihren Motorroller. Die haben offenbar keinen Sinn fürs Klima, verpesten hier die schöne Waldluft. Schnell weg hier, sonst war die ganze Wanderung am Ende umsonst.

Eine halbe Stunde später, hier ist alles zugewuchert, der Wald ganz urtypisch. An einer Stelle hat ein Sturm gewütet. Ein umgestürzter Baum liegt am Weg wie ein Mahnmal: Du solltest dringend mehr für deine Fitness tun, sonst geht es dir wie mir! Zerklüftete Felsen umrahmen den Weg, Regenschwaden ziehen vorbei. Es sieht aus wie eine Szene aus einem Romantikgedicht: Eichendorff, Novalis und Co. hätten hier sicher ihre helle Freude gehabt. Für die war ja schon damals zurück zur Natur das Motto, und das Rauschen von Regen, Wind und Blättern eine Art Ursprache.

Mal lauschen: Tja, was will die Natur einem sagen? Mist, die Füße sind schon wieder nass. Vielleicht einfach: ich Wald - du Mensch. Geh doch dahin, wo du wohnst! Tja, stimmt eventuell: Warum bin ich nicht einfach in die Hotelsauna gegangen? Da, eine Kirchenglocke dringt durch die Stille. Menschen! Zivilisation! Das ist ein Zeichen: zurück zum Hotel. Also schnell das Handy gezückt und nach dem kürzesten Weg geschaut. Ja, der moderne Mensch ist bequem. Am Waldrand ein letzter Blick zurück. Noch einmal tief einatmen und die gesunde Luft aufsaugen. Hoffentlich hat sie gewirkt. Okay, Wunder darf man wohl nicht erwarten nach zwei Wanderungen im Heilklima.

Wieder im Hotel: erstmal die Badewanne einlassen. Und die Heizung aufdrehen. Heilklima, schön und gut - jetzt wird wieder die Klimaanlage angemacht. Und für heute war es genug Champagnerluft. Nun darf es lieber ein Gläschen Weißwein als Aperitif sein. Na, dann Prost! Auf die Gesundheit!

(dpa)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort