Neue Programme Komik der Charakterköpfe

Gerd Dudenhöffer in seiner Rolle des Kleinbürgers Heinz Becker und Dieter Nuhr als schonungsloser Analyst der menschlichen Spezies kommen mit großer Geste auf die Bühne.

Neue Programme: Komik der Charakterköpfe
Foto: Heinz J. Zaunbrecher

Ein ganz normaler Durchschnittsdeutscher. Er lebt mit seiner Familie im Saarland — und das ist auch nicht zu überhören. In Cordhose, Karohemd und mit Schiebermütze ist er der geborene Spießer, der sich über Gott und Welt ausnörgelt und sich dabei aber nur in seinem eigenen Universum bewegt. Kleinkariert bis zur Pedanterie, vor allem wenn es um den Griff des Rasenmähers geht, endet seine Toleranz spätestens am Gartenzaun. Er lässt kein Klischee aus.

Mit der Flasche Bier an seiner Seite schlüpft der Kabarettist Gerd Dudenhöffer seit 35 Jahren in die Haut des Heinz Becker und bringt ihn derzeit im neuen Programm "Vita. Chronik eines Stillstandes" auf die Bühne (28. Mai/Leverkusen). Darin gibt er zwei Stunden lang Einblicke in das Universum des Kleinbürgers. Der schwätzt über seinen Alltag und zieht daraus abseitige und mitunter absurde Parallelen zum Weltgeschehen. Gerd Dudenhöffer gelingt es dabei, ein Spannungsfeld zwischen der persönlichen Beschränktheit seiner Figur uns dem Zeitgeschehen aufzubauen und den Zuschauer bei aller Komik in den Spiegel schauen zu lassen.

Überzeugend karikiert und persifliert Gerd Dudenhöffer seine Figur in ihrer Authentizität. Der charakteristische Dialekt, die Mimik und Gestik wirken ganz selbstverständlich, die zum Teil schrägen Botschaften entlarven sich über Andeutungen, Auslassungen und bewusste Sprachstolperer selbst. Die Kombination aus Text und Rollenspiel macht Gerd Dudenhöffer zu einer Größe im Kabarett und seine Auftritte zu großem Theater.

Ob das Leben "Nuhr ein Traum ist", darüber sinniert der Dieter vom Niederrhein in seinem gleichnamigen Programm (19. Dezember/Düsseldorf). Möglicherweise ist es auch ein Alptraum, denn schließlich gebe es heute kaum noch einen Unterschied zwischen Wahn und Wirklichkeit, realer und virtueller Welt. Dieter Nuhr ruft zur Formatierung der eigenen Festplatte auf und muss dabei feststellen, dass die Wahrheit sich schon lange nicht mehr an Fakten orientiert, sondern sich auf Links und Likes, Bilder und Bewertungen gründet.

Damit sei der Posteingang der menschlichen Wahrnehmung bereits komplett überfüllt. Die meisten Nachrichten gehörten in den Spam-Ordner oder sollten am besten sofort gelöscht werden. Denn die wirklich wahre Welt sei durchaus schön, wenn auch leider häufig ausgebucht, überteuert und viel zu laut. Schonungslos lotet Dieter Nuhr die Abgründe der Spezies Mensch aus und kommt danach zu dem Ergebnis, dass die Distanz zwischen Ist- und Sollzustand sich selbst in Lichtgeschwindigkeit kaum noch überwinden lässt.

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