Analyse Das Millionen-Problem der Sparkasse

Dinslaken · Die Sparkasse braucht eine 35-Millionen-Euro-Finanzspritze. Das wirft viele Fragen auf, die längst noch nicht alle beantwortet sind.

 Dinslakens Bürgermeister Dr. Michael Heidinger, Verwaltungsratsvorsitzender der Sparkasse, erläuterte am Donnerstag die Situation.

Dinslakens Bürgermeister Dr. Michael Heidinger, Verwaltungsratsvorsitzender der Sparkasse, erläuterte am Donnerstag die Situation.

Foto: B�ttner, Martin

Dinslaken/Voerde/Hünxe Sparkasse - das Wort stand für viele bislang als Synonym für Sicherheit, Solidität und Seriösität. Spätestens seit Mittwoch, als der Sparkassenvorstand für das Geschäftsjahr 2014 einen Verlust in Höhe von sieben bis neun Millionen Euro bekannt gegeben und angekündigt hat, dass das Geldinstitut dringend frisches Geld braucht, werden viele Dinslakener, Voerder und Hünxer aber ins Grübeln gekommen sein. Sie werden viele Fragen bewegen.

Müssen die Sparkassenkunden sich Sorgen machen?

Nein. Abgesehen davon, dass das Geld der Kunden durch den Haftungsverbund der Sparkassen abgesichert ist, hat die Sparkasse Dinslaken-Voerde-Hünxe weder ein Liquiditätsproblem, noch ist sie überschuldet. Im operativen Geschäft ist sie im Gegenteil sogar recht gut unterwegs. Auch das belegen die Zahlen, die der Vorstand präsentierte. Das hausgemachte Problem der Sparkasse resultiert im Wesentlichen aus notleidenden Krediten, die über die Jahre Wertberichtigungen in Millionenhöhe nötig machten und in der Folge zur Abschmelzung des Eigenkapitals führten. Mit Blick auf die bis 2019 weiter steigenden Eigenkapitalanforderungen für das Kreditgeschäft verfügt die Sparkasse nicht mehr über die notwendigen Reserven und braucht deswegen zusätzliches Kapital.

Hätte das Desaster verhindert werden können, wenn rechtzeitig eingegriffen worden wäre?

Dinslakens Bürgermeister Dr. Michael Heidinger, Vorsitzender des Sparkassenverwaltungsrats, bestreitet das. Offenbar geworden sei das Problem 2010. Der Verwaltungsrat habe zu diesem Zeitpunkt konsequent gegengesteuert und Risiken in einem dreistelligen Millionenbetrag zurückgefahren. Ein Blick in die Geschäftsberichte der Sparkasse lässt allerdings durchaus die Frage zu, ob nicht schon früher energischer hätte gehandelt werden müssen. Spätestens seit dem Jahr 2008 tauchen Warnungen vor Kreditrisiken in diesen Berichten auf. Im Jahr 2009 wird darauf hingewiesen, dass der Anstieg der Kreditrisiken eine weitere Erhöhung der Vorsorge erfordere. So oder ähnlich ist das auch in den folgenden Geschäftsberichten zu lesen. Hinweise gab es - neben der Tatsache, dass die Sparkasse eigenen Angaben nach schon etliche Jahre keine Gewerbesteuer gezahlt hat - also genug. Und selbst, wenn man der Darstellung des Bürgermeisters folgt, dass die ganze Dramatik erst 2010 erkennbar gewesen ist, dann muss sich der Verwaltungsrat zumindest fragen lassen, ob es eine kluge Personalentscheidung war, ein stellvertretendes Vorstandsmitglied, das seit 2001 in führender Position die Kreditpolitik des Hauses mitverantwortet hat, 2012 zum Vorstandsvorsitzenden zu berufen.

Wie erlebt und diskutiert der Bürger die jetzige Sparkassenkrise?

Der Bürger erlebt eine Sparkasse, die von ihm als Steuerzahler erwartet, dass er sie unterstützt. Er erlebt eine Sparkasse, die von ihm erwartet, dass er Verzicht übt, weil ansonsten die Kommunen nicht in der Lage sein werden, die Kapitalanforderungen der Sparkasse zu erfüllen. Diese Sparkasse hat sich dennoch in den Jahren, als sie auf die jetzige Krise zusteuerte, einen schnieken Neubau geleistet, der sicherlich aus Platzgründen notwendig war, der aber durchaus auch an der ein oder anderen Stelle bescheidener hätte ausfallen können. Er erlebt jetzt, nachdem die Probleme öffentlich sind, einen Ende vergangenen Jahres ausgeschiedenen Sparkassenchef, der mit einem Ruhestandsgeld von 65 Prozent seines Gehalts von deutlich über 300 000 Euro ausgestattet ist und der nach seinem Ausscheiden noch, wie der Verwaltungsratsvorsitzende bestätigt hat, übergangsweise für ein halbes Jahr die vollen Dienstbezüge erhält. Und er erlebt, dass viel von Verantwortung und rückhaltloser Aufklärung die Rede ist. Dass dies irgendwelche persönlichen Konsequenzen nach sich zöge, erlebt er nicht. Ein Blick in die sozialen Netzwerke wie Facebook oder Twitter genügt, um zu erkennen, wie die Stimmung des Bürgers ist. Kurz: Die Außenwirkung für die Sparkasse zurzeit ist desaströs.

Gibt es äußere Einflüsse, die erklären, wie die Sparkassen in diese Situation geraten ist?

Natürlich gibt es die - und nicht zu knapp. Die Sparkasse leidet unter der anhaltenden Niedrigzinsphase. Und sie leidet, was die Anforderungen an ihre Eigenkapitalausstattung angeht, an den verschärften Bestimmungen, mit denen Europa auf die - sicher nicht von den Sparkassen ausgelöste Bankenkrise - reagiert hat. Und natürlich muss die Sparkasse Dinslaken-Voerde-Hünxe in einer Region wirtschaften, die vom Strukturwandel - Stichwort: Zechenschließung - arg gebeutelt wurde und wird, was sie als Finanzier des Mittelstands, der unter diesem Strukturwandel natürlich auch leidet, vor schwierige Probleme stellt. Das alles ändert freilich nichts an der Tatsache, dass viele andere Sparkassen, die unter ähnlichen Bedingungen bestehen müssen, mit der Situation offenbar deutlich besser umgegangen sind. Das gilt im Übrigen auch für viele Volksbanken.

Was wird mit dem Geld, wenn es die Kommunen der Sparkasse zur Verfügung stellen?

Kommunale Träger können ihre Anteile an Sparkassen nicht als Vermögen in ihren Haushalten bilanzieren. Das hat einen guten Grund, denn es handelt sich um kein Vermögen, über das die Kommunen verfügen könnten. Das lassen die Sparkassengesetze nicht zu. Sparkassen können beispielsweise nicht veräußert werden. Das Geld wäre also aus kommunaler Sicht erst einmal weg oder, wenn man es freundlicher ausdrücken möchte: Es wäre woanders. Den Politikern, die den Beschluss fassen, der Sparkasse Geld zu geben, bliebe zunächst nicht mehr als die Hoffnung, dass sie mit dem Geld der Sparkasse dazu verhelfen, wieder so erfolgreich zu wirtschaften, dass unter dem Strich Ausschüttungen und Steuern für die Kommunen übrig blieben. Und es bliebe ihnen die Hoffnung, dass die Sparkasse weiterhin ihre Rolle als wichtiger Partner von Handwerk und Handel in der Region erfüllen kann.

Wie es jetzt weitergeht?

Diese Frage lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht seriös beantworten. Klar ist, dass die drei Kommunen Dinslaken, Voerde und Hünxe das Geld nicht alleine aufbringen können. Ob sich die Hoffnung der drei Bürgermeister erfüllt, dass sie den Kreis zum Einstieg bewegen können, ist mehr als zweifelhaft. Die anderen Kommunen im Kreis - das zeigen schon die ersten Reaktionen - verspüren verständlicherweise wenig Neigung, sich für die Dinslakener, Voerder und Hünxer Probleme in Haftung nehmen zu lassen und ihre Bürger damit zu belasten. Unter diesen Umständen ist es zum jetzigen Zeitpunkt kaum vorstellbar, dass sich in der Kreispolitik eine Mehrheit dafür zusammenzimmern lässt, der Sparkasse Dinslaken-Voerde-Hünxe unter die Arme zu greifen. Längst noch nicht ausgemacht ist im Übrigen auch, ob sich in den jeweiligen Räten der drei Kommunen eine Mehrheit für die Sparkassen-Hilfe finden wird. Was dann noch bleibt? Eine Fusion mit der Verbandssparkasse Wesel oder mit der Sparkasse Niederrhein oder mit beiden. Aber auch für diese Lösung ist angesichts der von vielen Animositäten geprägten Gemengelage viel Fantasie vonnöten. Und außerdem stellt sich dann angesichts der Tatsache, dass zurzeit niemand sagen kann, wie groß Sparkasseneinheiten sein müssen, um im Wettbewerb bestehen zu können, die Frage, ob die nachhaltigere Lösung das Zusammengehen mit der großen Sparkasse Duisburg wäre. Es ist so unwahrscheinlich nicht, dass es am Ende auf diese Lösung hinauslaufen wird.

(RP)
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