Dinslaken Indische Märchen vom unermesslichen Glück

Dinslaken · Dr. Shafiq Terai und Tobias Bülow zu Gast beim "Rendezvous nach Ladenschluss" in der evangelischen Stadtkirche.

 Dr. Shafiq Terai führte seine Zuhörer in den philosophischen und mythologischen Kosmos indischer Erzählungen.

Dr. Shafiq Terai führte seine Zuhörer in den philosophischen und mythologischen Kosmos indischer Erzählungen.

Foto: Lars Fröhlich

Der Wert, Glück zu haben, ist unermesslich, lautet die Botschaft in einem der indischen Märchen, die Dr. Shafiq Terai für sein Rendezvous nach Ladenschluss ausgesucht hat. Ein Stück von einem solchen Glück hatten, die Besucher der Veranstaltung des Fördervereins Kultur und Evangelische Kirche Dinslaken. Sie hörten nicht nur bereichernde Texte mit philosophischen und weltenerklärende religiösen Inhalten, sondern tauchten auch tief ein in eine Musik, in der Unendlichkeitsklänge unverzichtbar sind.

Dr. Shafiq Terai, Zahnarzt aus Dinslaken, las in der evangelischen Stadtkirche aus dem Hitopadesha, der von Sri Narayana Pandit in den 1670er Jahren aufgezeichneten "Angenehme und angemessene Unterweisung", in der Weisheiten des Sanskrit durch Märchen anschaulich gemacht werden sowie aus den vedischen Schöpfungsmythen. Tobias Bülow und Ehsan Sharei öffneten mit der indischen Bambusflöte Bansuri und der iranischen Langhalslaute Setar den Klangkosmos der klassischen indischen Ragas. Die komplexe Form einer Raga entfaltet sich auf einem in unterschiedlichen Frequenzen schwingenden Liegeton, ein unbestimmter Klang, der die Unendlichkeit repräsentiert, wie Tobias Bülow zu Beginn des "Rendezvous" erklärte. Mit dunkler Stimme haucht die große Bansuri eine langsame Melodie, Sharaj schlägt auf seiner Setar rasche Folgen kurz ausschwingender, metallischer Töne an, setzt lange Zäsuren am Ende dieser Klanggruppen. Erst nach einer Zeitspanne, die die eines modernen Lieds um das Doppelte überschritten hat, erscheint mit der ersten Beschleunigung des Tempos das griffige Thema der Eigenkomposition des Duos "Building Bridges". Eine weitere Temposteigerung und das moderne Stück, das auf der komplexen, Jahrtausende alten Struktur des Raga basiert, endet nach 20 Minuten.

Zeit für drei Geschichten, deren Lehrsätze man beherzigen sollte. Zum Beispiel niemals verurteilend handeln, bevor man alle Fakten und Zusammenhänge kennt. Das geschah der jungen Mutter, die ihren Mungo erschlug, weil sie das Blut an seiner Schnauze für das ihres Babies hielt. Tatsächlich hat das treue Haustier das Baby vor einer Schlange über der Wiege beschützt. Schlangen bewiesen ihre Falschheit im folgenden Märchen, in dem sie sich gegenseitig erklärten, wie ein Minister sie zum Wohle der Krone vernichten könne. Hatte er dabei Glück? Sicherlich. Und dies entspricht der in Sanskritverse gegossenen Weisheit, dass Schönheit doppelt so viel wert sei wie Wissenschaft und Klugheit doppelt so viel wie Schönheit, der Wert des Glückhabens allerdings unermesslich ist.

Spannend für die Besucher waren einige Aha-Effekte: Alttestamentarische Motive wie das salomonische Urteil oder die Trennung von Tag und Nacht im Rahmen der Erschaffung der Erde finden sich auch in indischer Überlieferung.

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version haben wir Ehsan Shareis Namen falsch geschrieben. Das haben wir nun korrigiert.

(RP)
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