Berufungsgericht bestätigt Freisprüche Niemand hat Schuld am Gletscherbahn-Unglück von Kaprun

Linz (rpo). Alle Angeklagten sind fast fünf Jahre nach dem Gletscherbahn-Unglück von Kaprun von einem Berufungsgericht freigesprochen worden. Damit hat das Gericht die von Hinterbliebenen scharf kritisierten Urteile der ersten Instanz bestätigt. Die Feststellungen der ersten Instanz seien klar gewesen, begründete das Oberlandesgericht in Linz am Dienstag seine Entscheidung.

Außerdem seien die Berufungsanträge der Staatsanwaltschaft zu spät eingegangen. Bei dem Unglück im November 2000 waren 155 Menschen getötet worden, unter ihnen 37 Deutsche. Da die Freisprüche nun rechtskräftig sind, gibt es für die schlimmste Brandkatastrophe der österreichischen Nachkriegsgeschichte juristisch gesehen keinen Schuldigen.

"Es ist nicht hinnehmbar, dass derartige Beweisanträge erst jetzt eingebracht worden sind, obwohl die Staatsanwaltschaft ein Jahr Zeit dazu gehabt hätte", sagte der Vorsitzende Richter Ernst Schütz nach Angaben der österreichischen Nachrichtenagentur APA. In dem Berufungsprozess mussten sich acht der ursprünglich 16 Angeklagten wegen Fahrlässigkeit verantworten. Bei ihnen handelte es sich um zwei Vertreter der Seilbahn-Gesellschaft, zwei Techniker, zwei Behördenvertreter und zwei TÜV-Mitarbeiter. Sie waren zusammen mit den acht anderen Angeklagten im Februar in erster Instanz freigesprochen worden. Die damaligen Freisprüche hatten zu wütenden Protesten von Hinterbliebenen geführt.

Die Staatsanwaltschaft hatte die Berufung damit begründet, dass das Gericht bei seiner Urteilsfindung österreichische Sicherheitsbestimmungen berücksichtigt hatte. Aus Sicht der Anklage unterliegt die Bahn aber internationalen Sicherheitsregeln. Der Heizluftofen, der das Unglück auslöste, habe zudem nicht in ein öffentliches Transportmittel eingebaut werden dürfen, da er für den Hausgebrauch konzipiert gewesen sei. Das Berufungsgericht hätte das Verfahren theoretisch auch an die erste Instanz zurückverweisen oder neu aufrollen können. Nun aber sind die Freisprüche rechtskräftig.

Bei seinem Urteil hatte sich das erstinstanzliche Gericht auf Aussagen von 95 Zeugen sowie auf sieben Expertengutachten im Umfang von insgesamt 470 Seiten gestützt. Nach den Erkenntnissen der Richter wurde das Unglück vor fünf Jahren durch einen überhitzten Heißluftofen ausgelöst. Als Öl aus dem Bremssystem austrat, entzündete sich Feuer. Daraufhin kam die Gletscherbahn in einem Tunnel zum Stillstand, die Insassen saßen fest. Verstärkt wurde die Katastrophe dadurch, dass sich die Türen nicht von innen öffnen ließen, dass der Tunnel nicht beleuchtet war und dass es nur eine schmale Diensttreppe als Fluchtweg gab. Nur wenige Insassen konnten sich retten. 92 Österreicher, 37 Deutsche, zehn Japaner, acht US-Bürger, vier Slowenen, zwei Niederländer, ein Brite und ein Tscheche kamen ums Leben.

Das Unglück beschäftigt die Justiz nach den endgültigen Freisprüchen nun vor allem noch in den USA. Vor einem Zivilgericht in New York haben dort 16 Hinterbliebene von Opfern Klage eingereicht gegen Österreich, die Bahn-Betreibergesellschaft, eine Versicherung und weitere Unternehmen. Die Anwälte wollen die Zahlung von insgesamt umgerechnet 1,1 Milliarden Euro Schadensersatz erreichen.

(afp)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort