Transplantationsskandale zeigen Wirkung Auch Zahl der Lebendspenden geht zurück

Frankfurt/Main · Die Befürchtungen sind zur Wahrheit geworden: Der Skandal um manipulierte Wartelisten hat das Vertrauen der Bevölkerung in die Organspende nachhaltig erschüttert.

In den westdeutschen Ländern sei die Zahl der Spender auf dem niedrigsten Stand seit Gründung der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) vor 30 Jahren, sagte Axel Rahmel, Medizinischer Vorstand der DSO, am Montag in Frankfurt: "Wir sind wieder dort angekommen, wo wir gestartet sind."

"Kopfzerbrechen" bereitet der DSO, dass auch die Zahl der Lebendspenden sinkt. Dies sei ein Zeichen für "eine stärkere Verunsicherung der Bevölkerung", wenn nicht gar für "einen grundsätzlichen Vertrauensverlust", sagte Rahmel. Zahlen zu Lebendspenden gab es beim 10. Jahreskongress der DSO, der noch bis zum Dienstag in Frankfurt stattfindet, nicht. Die DSO koordiniert die postmortale Organspende in Deutschland, ist aber nicht für Lebendspenden zuständig.

In den ersten neun Monaten dieses Jahres spendeten bundesweit nur noch 649 Menschen nach ihrem Tod Organe. Im vergleichbaren Zeitraum waren es im vergangenen Jahr 675, im Jahr 2012 noch 829. Etwa 11 000 schwer kranke Menschen warten in Deutschland auf ein Spenderorgan. Aktuell seien die Spenderzahlen "auf niedrigem Niveau stabil", es gebe sogar Anzeichen für Hoffnung, dass die Zustimmung der Bevölkerung zur Organspende wieder steige.

Im Sommer 2012 kam ans Licht, dass zwei Mediziner der Göttinger Universitätsklinik Akten gefälscht und eigene Patienten beim Empfang von Spenderlebern bevorzugt haben sollen. Später wurden Manipulationen bei der Organvergabe in weiteren Krankenhäusern bekannt. Als Folge des Skandals wurde 2012 das Transplantationsgesetz umfangreich reformiert. Möglichst jeder Bundesbürger soll nun seine Bereitschaft zur Spende erklären.

Seither sei vieles geschehen, was in die richtige Richtung gehe, sagte Prof. Björn Nashan, Präsident der Deutschen Transplantationsgesellschaft. Seine Fachgesellschaft begrüßt es, dass Manipulationen "nicht mehr als Kavaliersdelikt angesehen werden". Die Kontrollen seien verschärft worden, das Verfahren transparenter, die Richtlinien genauer. "Jetzt geht es darum, die Bevölkerung besser einzubinden."

Ein Verband für Lebertransplantierte forderte mehr Engagement der Krankenhäusern für die Organspende. "Ärzte, Schwestern und das Pflegepersonal sollten bei Patienten, die vor einem Hirntod stehen, viel selbstverständlicher das Gespräch mit den Angehörigen über eine Organspende suchen", sagte die Bundesvorsitzende Jutta Riemer der dpa. "Das sind natürlich sehr schwere und unangenehme Gespräche, aber das würde ganz vielen Menschen helfen."

Klare Regeln

Dabei sind die Kriterien für die Organvergabe eigentlich eindeutig geregelt, so dass sich niemand sorgen müsste, solange alles rechtmäßig abläuft.

Für die Aufnahme eines Patienten auf die Warteliste und die postmortale Organvermittlung in Deutschland hat die Bundesärztekammer Richtlinien erlassen, Grundlage ist das Transplantationsgesetz. Allerdings gelangt laut DSO nicht jeder Patient, der ein neues Organ braucht, automatisch auf die Warteliste. Ist das Risiko der Transplantation und ihrer Nachbehandlung zu hoch und sind die Erfolgsaussichten schlecht, kommt die Operation nicht infrage.

Neben den Erfolgsaussichten ist die Dringlichkeit zweites zentrales Kriterium, denn ein schwerkranker Patient droht ohne Spenderorgan unmittelbar zu sterben. Darüber hinaus muss das Organ zum Empfänger passen. Wesentlich ist nach Angaben der Stiftung Eurotransplant, dass die Gewebemerkmale zwischen Spender und Empfänger übereinstimmen, zum Beispiel bei Nieren. Ebenso müssen bei manchen Organen Größe und Gewicht von Spender und Empfänger zusammenpassen. Die Blutgruppe ist ebenfalls ein Kriterium.

Eurotransplant mit Sitz in Leiden (Niederlande) ist zuständig für die Zuteilung von Spenderorganen in mehreren europäischen Ländern. Die Stiftung registriert alle Patienten in den Mitgliedsländern, die auf ein Organ warten. Die Transplantationen in Deutschland koordiniert die DSO in Frankfurt. Übertragen werden die Organe in bundesweit rund 50 Transplantationszentren.

(dpa)
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