Skandal am Anatomie-Institut Uni Köln hat zu viele Leichen

Köln · Ein Medizinskandal erschüttert das anatomische Institut der Uni Köln. Das Institut hat offenbar den Überblick über die gespendeten Leichen verloren. Zwar verkündet es auf seiner Homepage, dass es "strikt auf einen angemessenen und würdevollen Umgang" mit den ihm zur Verfügung gestellten Körpern achte, davon kann aber offenbar keine Rede sein.

Das Institut an der Kölner Joseph-Stelzmann-Straße meldete am Mittwoch "Bestattungsrückstand". Ein nüchternes Wort für Leichenberge im Kühlkeller. Von "mindestens 80 Leichen" ist die Rede. Bei drei Körpern kann niemand mehr nachvollziehen, um wen es sich handelt, bestätigte Uni-Sprecher Dr. Patrick Honecker.

An den Spenderleichen lernen die Medizinstudenten das Präparieren, angehende Ärzte bereiten sich an ihnen auf Operationstechniken vor, die sie später bei ihren Patienten anwenden. Nachdem die gespendeten Körper als Anschauungsleichen gedient haben, werden die Toten bestattet, meist anonym. Normalerweise. Denn genau das soll in der Vergangenheit nicht oder nicht immer passiert sein — die Hochschule kam mit den Begräbnissen nicht nach.

Schlamperei im Leichenkeller

Nach derzeitigem Kenntnisstand, so Honecker, sei der Auslöser für das Durcheinander im Leichenkeller "eine sehr problematische Aktenführung" gewesen. Herausgekommen ist die Schlamperei durch einen Wechsel in der Amtsführung, teilte der Dekan der Medizinischen Fakultät, Thomas Krieg, gestern mit. Im vergangenen Jahr war der Leiter des Instituts in den Ruhestand getreten. Sein Nachfolger wollte sich einen Überblick über die Situation in den Räumen des anatomischen Instituts verschaffen.

Dass die Lage ernst ist, weiß auch Honecker: "Wir haben ein Problem, das ist ganz klar", sagte er. Es sei ein Versagen in der Geschäftsführung, das auch disziplinarisch überprüft werde. "Was da passiert ist, ist pietätlos", so Honecker weiter. Die Vorfälle widersprächen den akademischen Gepflogenheiten. Nun gehe es darum, so schnell wie möglich "die Würde der Menschen wieder herzustellen, die ihre Körper für Forschung und Lehre bereitgestellt hatten."

Nach Bekanntwerden des Skandals hatte die Uni die Kölner Staatsanwaltschaft eingeschaltet. Die sollte prüfen, ob etwa eine Störung der Totenruhe vorliegt. "Da wir nicht wussten, um wen es sich bei den drei Leichen, die wir nicht mehr identifizieren können, handelt, mussten wir auch ausschließen, dass sie uns einfach dort hingelegt wurden", erklärt der Uni-Sprecher. Oberstaatsanwalt Ulrich Bremer bestätigt: "Wir haben das überprüft und werden nicht ermitteln."

Ein Sprecher kündigte am Donnerstag bedingungslose Aufklärung an. "Wir nehmen uns dieser Sache hundertprozentig an und werden alles tun, um einen würdevollen Umgang mit den Toten zu garantieren", sagte Thomas Krieg, Dekan der Medizinischen Fakultät.

Patrick Honecker, Pressesprecher der Universität Köln, zeigte sich zuversichtlich, alle Leichen noch identifizieren zu können: "Wir sind jetzt schon sehr weit", sagte Honecker über die Sichtung der Unterlagen. Verstöße bei der Behandlung der Körperspenden würden zudem auch disziplinarisch geprüft. Die Staatsanwaltschaft sieht den Straftatbestand der "Störung der Totenruhe" und der "Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener" nicht als gegeben.

(RP/jre/felt)
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