Christian Berkel "Am meisten ärgert mich Wurschtigkeit"

Die ZDF-Serie "Der Kriminalist" geht ins zehnte Jahr. Ein Gespräch über Serienhelden, Konkurrenz in der Ehe und die drohende 60.

Zehn Jahre sind Sie als "Kriminalist" unterwegs - fühlt man sich als Schauspieler da schon verbeamtet?

Christian Berkel Das ist auf jeden Fall eine Gefahr, die in der Arbeit lauert - wie überhaupt in allem, was man länger macht. Das kann auch in Beziehungen und Freundschaften zu Leerlauf führen. Es kann aber auch zu Vertiefung führen, je nachdem, wie man rangeht an die Sache.

So eine Rolle gibt einem auch ein wirtschaftliches Fundament und Freiheit für andere Projekte.

Berkel Vor allem Letzteres. Es gibt mir die Freiheit zu entscheiden, ob ich das nächste Angebot annehme. Ich muss es nicht, aber wenn ich es mache, ist es so, dass ich es wirklich will. Sicher beruhigt so eine Serie die Nerven, aber das Finanzielle war nie wirklich ein Argument. Ich habe immer schon gedacht: Irgendwie komme ich über die Runden. Mein Leben ist nicht so teuer aufgestellt, dass alles schnell zusammenkracht.

Was ist für Sie Frust, was Freude an der Rolle des Ermittlers Schumann?

Berkel Beglückend ist die lange Zusammenarbeit mit einem tollen Team in allen Bereichen, von den Schauspielern über die Beleuchter bis zur Maske. Frustrierend kann sein, wenn man merkt, dass Leute die Möglichkeit, die einem geschenkt wird, nicht wirklich nutzen. Am ehesten und am heftigsten fahre ich aus der Haut bei Wurschtigkeit, also wenn jemand das, was er tut, nicht ernst nimmt. Es geht nicht darum, ob jemand wahnsinnig gut ist, sondern um das Ausreizen der eigenen Möglichkeiten.

Wie hat sich Ihre Beziehung zur Figur Schumann entwickelt?

Berkel Natürlich ist mir die Figur extrem vertraut, ich habe sie am Anfang auch entscheidend mitgeprägt. Der Reiz ist eigentlich, sie nicht neu zu erfinden, sondern in immer neue Situationen zu stellen. Wenn ich aber merke, da hat sich jemand nicht mit dem Thema auseinandergesetzt, das ist nicht genau recherchiert, dann gerate ich an meine Grenzen. Ich kann nicht viel mehr machen, als das, was im Drehbuch steht. Ich kann es lebendig gestalten, aber ich mache nicht aus einem schlechten Buch ein gutes. Das macht keiner.

Sie wirken aber früh auf die Drehbücher ein, arbeiten daran mit.

Berkel Ja, schon. Mit der Produzentin führe ich vorab intensive Gespräche, wir gehen jede Szene durch. Später entsteht in etlichen Diskussionsrunden mit allen Beteiligten Fassung für Fassung.

Reizt es Sie, selbst ein Drehbuch zu schreiben?

Berkel Geschichten, die ich interessant finde, habe ich gegenüber der Produzentin und den Autoren schon angerissen. Selbst ein Drehbuch für den "Kriminalisten" zu schreiben, würde ich falsch finden. Ich bin sehr präsent in der Serie, das reicht.

Ihre Frau Andrea Sawatzki kommt aus demselben Fach. Begutachten sie ein Drehbuch gemeinsam? Gibt es einen Austausch, etwa über Rollen?

Berkel Gar nicht. Nur wenn ich große Zweifel an einem Projekt hege, was sehr selten ist, dann frage ich sie manchmal. Aber meistens mache ich das mit meiner Agentin. Über einen Drehtag reden wir zu Hause höchstens, wenn einer von uns sich wahnsinnig geärgert hat.

Es gibt auch keine gegenseitige Analyse im Nachhinein?

Berkel Nur sehr vorsichtig. Es ist ja so: Keiner kennt mich so genau wie meine Frau.

Dann bekommt man wenigstens eine ehrliche Antwort.

Berkel Stellt sich die Frage, wie viel davon ist auszuhalten (lacht). Ich glaube, wir haben da beide ein gutes Gespür. Im fertigen Film sehe ich sofort, wenn ich an einer Stelle gemogelt habe. Es wäre wichtiger, mir das zu sagen, wenn es passiert, dann könnte ich es noch ändern. Aber es kann sein, dass Andrea sagt, du weißt doch, die Stelle da, und ich antworte: Ja, ich weiß.

Gibt es zwischen Ihnen ein Wettbewerb, wer das spannendere, interessantere Projekt an Land zieht?

Berkel In dem Sinne nicht. Ich bin der Meinung, dass in allen Beziehungen Konkurrenz herrscht, ob unter Liebenden, Freunden oder Kollegen. Im positiven Sinne heißt es: Ich gucke in den Nachbarsgarten und sehe da einen wunderschönen Kirschbaum. Der positive Neid wäre: Verdammt, ich muss auch mal einen Kirschbaum pflanzen. Wenn dabei ein schöner Kirschbaum herauskommt, ist das ja was Gutes. Schlecht ist es, wenn es heißt: Den verdammten Kirschbaum werde ich vergiften, damit der eingeht. Und das haben Andrea und ich sicher nicht. Ich freue mich total über schöne Projekte für sie, und das ist umgekehrt bei ihr sicher genauso. Aber der Konkurrenzgedanke, der spielt unbewusst mit und vermittelt: Ich muss mich anstrengen.

Nächstes Jahr werden Sie 60. Ist das für Sie eine wichtige Zäsur?

Berkel Ich war vor ein paar Jahren mal auf einem 60. Geburtstag von einem Freund. Da stand auf der Einladung: "Ups, ist schneller gegangen, als ich dachte." (lacht) So ein Gefühl beschleicht einen, wenn man älter wird. Die Erfahrung lehrt ja: Je älter man wird, desto schneller geht's. Ab 40 wird ein Gang zugelegt, ab 50 noch einmal. Die Jahre zwischen 50 und 60 sind irre schnell vergangen. Irgendjemand hat gesagt: Es kommt irgendwann der Moment im Leben, wo man mehr Vergangenheit als Zukunft hat. Das ist die eine Seite. Der Vorteil am Älterwerden ist: Wenn eine Krise kommt, gerät man nicht in Panik, sondern sagt sich - die letzte Krise habe ich auch überlebt. Da kommen wir schon durch.

J. ISRINGHAUS FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

(RP)
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