Paris Franzosen sind keine Weinkenner

Paris · Ausgerechnet die Franzosen sollen keine Experten sein, wenn es um Wein geht. Fast drei Viertel geben in einer Umfrage zu, sich nicht mit edlen Tropfen auszukennen. Dabei ist der Wein seit Frühjahr französisches Kulturerbe.

Lieber ein Bordeaux oder ein Burgunder? Diese Frage können die meisten Franzosen gerade noch beantworten. Doch bei Anbaugebieten und Traubensorten hört es dann schon auf. 71 Prozent geben laut einer Umfrage zu, sich beim Wein nicht auszukennen. Und das im Weinland Nummer eins, in dem der Rebensaft neben Baguette und Camembert eine Art Nationalsymbol ist.

Zum Kulturerbe erhob der französische Senat den Wein im April - und das einstimmig. Damit haben der Wein und seine Anbaugebiete einen besonderen Status. Doch wirklich nur drei Prozent der Franzosen kennen sich damit aus. "Vier von fünf meiner Kunden haben keine Ahnung von Wein", schätzt ein Verkäufer der Kette "Nicolas". "Manche tun so, als ob sie Experten seien. Sie wissen dann, dass das Anbaugebiet Pomerol zur Region Bordeaux gehört. Aber wie der Wein getrunken wird? Da hört es dann schon auf."

Die Zahl der Wein-Ignoranten ist seiner Einschätzung nach in den vergangenen Jahren gestiegen. "In meinem Freundeskreis gibt es immer mehr Leute, die keinen Wein trinken, sondern stattdessen lieber Cocktails." Das gilt vor allem für junge Franzosen, die gerne in die vielen Cocktail-Bars gehen, die in den vergangenen Jahren in Paris entstanden sind. "Ich würde mir nie abends beim Kochen ein Glas Wein einschenken", sagt die 18-jährige Abiturientin Marie. "Aber einen Cocktail finde ich lecker."

Wohl auch deshalb sprechen sich 51 Prozent der Franzosen dafür aus, die junge Generation richtiggehend an den Wein heranzuführen und dabei auch Wissen zu vermitteln. Denn es sind vor allem die Alten, die sich beim Wein auskennen. Die Umfrage für die Fachzeitschrift "Terre des vins" ergab, dass die Experten meist Männer über 65 sind, die entweder in Führungspositionen arbeiten oder Freiberufler sind. "Ich glaube, dass der Wein heutzutage einschüchtert", erklärt der Chef von "Terre des vins", Rodolphe Wartel, in der Zeitung "Le Parisien" die Unkenntnis seiner Landsleute. Wein gehöre zwar inzwischen bei einem gepflegten Abendessen dazu. Aber: "Es gibt viele Herkunftsbezeichnungen, viele Rebsorten, Weine von fünf bis 500 Euro."

In der Tat ist der Wein eine Wissenschaft für sich: Aus rund 400 anerkannten Herkunftsregionen kommt der edle Tropfen - vom Châteauneuf du Pape im Rhône-Tal bis zum Sancerre an der Loire. Dazu kommen noch Rebsorten wie Syrah, Merlot oder Chardonnay sowie Böden und Lage. Kein Wunder, dass viele Franzosen da gar nicht erst einsteigen. "Ich kaufe im Supermarkt die Flaschen, die ein Prädikat bekommen haben. Wenn er zwischen zwölf und 20 Euro kostet, sage ich mir, dass es ein guter Wein sein muss", verrät eine 43-jährige Krankenschwester.

Unter den Weinkennern gibt es ohnehin soziale Unterschiede. So sind es bei den Arbeitern nur 16 Prozent, die Fachwissen vorweisen können, bei den Führungskräften dagegen 43 Prozent. Die Umfrage zeige eine "sehr elitäres Bild der Weinkunde in der französischen Gesellschaft", bemerkt das Umfrage-Institut Viavoice. Doch immerhin 88 Prozent der Franzosen verbinden Wein mit dem Gefühl, einen schönen Moment zu verbringen. Welcher Tropfen sich im Glas befindet, scheint dabei nicht so wichtig zu sein.

(RP)
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