Germanwings-Tragödie Copilot führte Glückstagebuch

Düsseldorf · Sechs Monate nach dem absichtlich herbeigeführten Absturz der Germanwings-Maschine sind weitere Details über den Copiloten bekanntgeworden. Demnach protokollierte er seinen Gemütszustand und nahm diverse Antidepressiva.

 Die Germanwings-Maschine wurde über den französischen Alpen zum Absturz gebracht.

Die Germanwings-Maschine wurde über den französischen Alpen zum Absturz gebracht.

Foto: afp, LE/ab

Mit Beruhigungsmitteln und Stimmungsaufhellern versuchte Andreas Lubitz offenbar, seinen labilen Gemütszustand in den Griff zu bekommen. Das geht aus Akten der Düsseldorfer Staatsanwaltschaft hervor, wie die "Bild"-Zeitung und "Spiegel online" berichten. Demnach hatte ein Neurologe dem Piloten 15 Milligramm Mirtazepam und ein Milligramm Lorazepam verschrieben. Antidepressiva würden aber nicht nur zur Behandlung von Depressionen verabreicht, sagte die Staatsanwaltschaft gestern. Welche Diagnose dem Piloten bescheinigt wurde, wollen die Ermittler aus persönlichkeitsrechtlichen Gründen nach wie vor nicht sagen. Lubitz selbst soll sich nach den Berichten als depressiv eingestuft haben. Diese Diagnose habe aber laut Staatsanwaltschaft kein Arzt bestätigt. Ermittler sind der Ansicht, dass Lubitz am 24. März 2015 einen Germanwings-Airbus in den französischen Alpen absichtlich zum Absturz gebracht hat. Alle 150 Menschen an Bord starben.

Laut der Akte soll Lubitz ein sogenanntes Glückstagebuch geführt haben, in dem er seine Verfassung protokollierte und kommentierte. So schrieb er laut Bericht beispielsweise, dass er 3,5 Stunden geschlafen habe oder dass seine Blutwerte in Ordnung seien. In dem Tagebuch sollen sich Einträge finden wie "Im Großen und Ganzen alles okay", an anderen Stellen stehen wiederum nur Smileys. Der letzte Eintrag ist auf den 8. März datiert. Rund zwei Wochen später fasste Lubitz seinen fatalen Entschluss.

Über den Gesundheitszustand des Copiloten hatten sich bereits französische Ermittler ausführlich geäußert. Demnach hatte Lubitz in den Wochen vor dem Absturz sieben Mal Ärzte besucht, dreimal davon Psychiater. Die Düsseldorfer Ermittler sprechen angeblich von 40 Arztbesuchen. Grund sollen unter anderem Augenprobleme gewesen sein, Sehstörungen wie Lichtblitze, aber auch Schatten im Sichtfeld. Untersuchungen hätten jedoch keine organische Ursache ergeben, so dass eine psychologische Behandlung als notwendig erachtet wurde. Getrieben von der Angst, seinen Job zu verlieren, soll Lubitz die Ärzte aufgesucht haben. "Alle Fakten zeigen, dass er an tiefer Niedergeschlagenheit litt und das Ziel hatte sich umzubringen", bilanzierte im Juni Chefermittler Brice Robin.

Unklar ist noch, inwieweit Lubitz nahestehende Personen von dessen psychischen Problemen wussten. Laut den französischen Ermittlern soll die Person, die mit ihm gelebt hat, ihn auch zum Arzt begleitet haben. In den aktuellen Berichten ist die Rede von einer blauen Mappe mit Dutzenden ärztlichen Attesten und Rezepten, die auf Lubitz' Nachttisch gelegen haben soll. Demnach müsse man davon ausgehen, dass die Lebensgefährtin von den depressiven Phasen ihres Partners wusste. Die Beziehung soll acht Jahre bestanden haben und laut Eltern glücklich gewesen sein.

Lubitz' Mutter soll schon im Februar 2015 Veränderungen bei ihrem Sohn bemerkt haben und ihn daraufhin zu dem Psychologen geschickt haben, der ihn schon 2008 wegen Depressionen behandelt hatte. Damals hatte Lubitz seine Pilotenausbildung wegen seiner psychischen Probleme unterbrochen, im August 2009 aber wieder aufgenommen. In den folgenden Jahren stellten Fliegerärzte keine Auffälligkeiten bei ihm fest. Lubitz' letzte Untersuchung war am 28. Juli 2014.

(RP)
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