Düsseldorf Herrhausen-Mord gibt weiter Rätsel auf

Düsseldorf · Bad Homburg, 30. 11. 1989: Der Chef der Deutschen Bank verblutet in seinem Auto. Die Bombenattentäter werden der RAF zugerechnet.

 Polizeibeamte stehen am 30. November 1989 am Wrack der Herrhausen-Limousine in Bad Homburg. Bei dem Bombenattentat wurde der Vorstandssprecher der Deutschen Bank AG, Alfred Herrhausen, getötet. Sein Fahrer wurde verletzt.

Polizeibeamte stehen am 30. November 1989 am Wrack der Herrhausen-Limousine in Bad Homburg. Bei dem Bombenattentat wurde der Vorstandssprecher der Deutschen Bank AG, Alfred Herrhausen, getötet. Sein Fahrer wurde verletzt.

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Vorab zwei Zitate von Alfred Herrhausen, der morgen vor 25 Jahren in seinem Wohnort Bad Homburg einem Sprengstoff-Attentat zum Opfer gefallen ist, das der Rote-Armee-Fraktion RAF zugeschrieben wird, aber nie vollends aufgeklärt werden konnte. Schon gar nicht konnten die vermutlich vier Täter ermittelt werden. Die beiden Zitate lauten:

"Man kann auf Dauer Produkte nur verkaufen, wenn man einen guten Ruf hat." - "An dem Tag, an dem die Manager vergessen, dass eine Unternehmung nicht weiter bestehen kann, wenn die Gesellschaft ihre Nützlichkeit nicht mehr empfindet oder ihr Gebaren als unmoralisch betrachtet, wird die Unternehmung zu sterben beginnen."

 Alfred Herrhausen, ehemaliger Vorstandssprecher der Deutschen Bank, auf einem Foto aus dem Sommer 1987.

Alfred Herrhausen, ehemaliger Vorstandssprecher der Deutschen Bank, auf einem Foto aus dem Sommer 1987.

Foto: dpa, rh_gr_cu rho

Das Überraschende an den Sätzen ist, dass sie von einem Top-Bankmanager stammen und dass vor zweieinhalb Jahrzehnten niemand höhnisch lachte, der den sehr mächtigen Vorstandschef der Deutschen Bank so reden hörte.

Die Merksätze waren typisch für den gebürtigen Essener, der im Alter von 59 Jahren aufgrund der gewaltigen Explosion in seiner Dienstlimousine noch am Tatort verstarb. Herrhausen war ein Herr des Geldes, Erster im Vorstand des größten deutschen Bankhauses, das damals auch im Zuge der von ihm forcierten Internationalisierung des Frankfurter Kolosses weltweit Rang neun einnahm. Aber Herrhausen war auch im Auftreten ein Herr, seine Artikulation von gestochener Schärfe. Er besaß die seltene Gabe zur druckreifen öffentlichen Rede. Bundeskanzler Helmut Kohl, der an jenem schaurigen Morgen des 30. November 1989 seinen Berater und Freund verlor, sagte: "Alfred Herrhausen hinterlässt eine Lücke, die auf Jahrzehnte nicht zu schließen ist."

Diejenigen, die den Hochbegabten nicht leiden konnten, auch weil sie ihm seine Ausnahmestellung im Konzert deutscher Wirtschaftsgrößen neideten, bezeichneten sie Herrhausen als intellektuellen Snob, manchmal auch als "den Elektriker". Denn der promovierte Diplomkaufmann kam aus der Ruhrgebiets-Elektrizitätsindustrie. Von dort lockte ihn 1969 Deutschbanker Friedrich-Wilhelm Christians nach Frankfurt zum ersten Geldhaus am Platz. Eine Weile bildeten Christians und Herrhausen eine Doppelspitze bei der Führung des Konzerns. Ab 1985 stand Herrhausen allein ganz oben. Bis heute fragen sich viele, warum ein Gentleman-Banker wie er, der das Gegenbild eines schnöden Zinsfuchses war, ins Zielfernrohr der RAF-Bande geriet, die seit den siebziger Jahren Spitzen-Staatsdienstler und Wirtschaftskapitäne ermordet hatte. Das Bekennerschreiben zum Attentat war anders formuliert als ähnliche RAF-Bezichtigungsschreiben zuvor, allgemeiner und nicht konkret auf die Person des Ermordeten zielend.

Herrhausen war ein lupenreiner Vertreter des Kapitals, aber keiner mit verengtem Blick. Er war ein Banker, der die Macht seiner Branche erstmals thematisierte; und der in einer beachteten, in seinen Kreisen auch verachteten Entscheidung 1987 für einen Schuldenerlass hochdefizitärer Entwicklungsländer eintrat. Zur Gesundung des Reviers gründete der "Essener Junge" den Initiativkreis Ruhr. Herrhausen lebte gesellschaftliche Verantwortung der Eliten vor. Man nannte ihn einen Philosophen im Vorstandssessel. Einen wie ihn gab es in der rufgeschädigten Geldbranche seither nicht wieder.

Als er am Todestag von seiner Villa aus im gepanzerten Auto Richtung Arbeitsplatz gefahren wurde, detonierte in Höhe einer Freizeiteinrichtung die Sieben-Kilo-Bombe. Sie war auf einem Fahrradgepäckträger versteckt. Die Mörder hatten die Heimtücke auf die Spitze getrieben. Eine Lichtschranke löste die Explosion aus, als der Wagen mit Herrhausen im Fond das Signal passierte. Der schwere Wagen wurde in die Luft gehoben und landete zerstört auf dem Asphalt. Herrhausens Bein war zerfetzt. Als Erste Hilfe kam, war er bereits verblutet.

(RP)
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