Sascha Ellinghaus "Ich habe eine fahrende Sakristei"

Das Zirkusvolk plagen erhebliche Existenzsorgen, sagt der neue Leiter der Circus- und Schaustellerseelsorge.

düsseldorf Der neue Leiter der Katholischen Circus- und Schaustellerseelsorge in Deutschland, Sascha Ellinghaus, wird heute von Weihbischof Ansgar Puff im Circus Probst in Düsseldorf in sein Amt eingeführt. Seine Pfarrei umfasst etwa 80 000 Menschen. Der 41-Jährige berichtet von den Aufgaben eines Zirkuspfarrers und den Nöten des fahrenden Volkes.

Gehen Sie gerne in den Zirkus?

Ellinghaus Als Kind schon, im Studium habe ich das nicht mehr verfolgt. Bis ich mit einer Messdiener-Gruppe den Gelsenkirchener Weihnachtscircus der Familie Probst besuchte. So bin ich auch zu meinem Job als Zirkusseelsorger gekommen. Die Deutsche Bischofskonferenz suchte regionale Ansprechpartner für die Circus- und Schaustellerseelsorge. Seitdem arbeitete ich zunächst ehrenamtlich, später neben der Leitung von fünf Dortmunder Pfarreien als Zirkuspastor.

Was genau macht ein Zirkuspfarrer?

Ellinghaus Er reist viel, denn seine Gemeinde ist weit verstreut. Zu meinen Aufgaben gehört die Begleitung von Kirmes-, Zirkus- und Markthandelsleuten, aber auch von Artisten aus Freizeitparks. Die Zirkusseelsorge ermöglicht, dass das fahrende Volk die Dienste der Kirche in Anspruch nehmen kann, wenn es auf Reisen ist. Es geht um Gespräche über Sorgen, aber auch um den Empfang der Sakramente.

Was sind die Nöte der Schausteller?

Ellinghaus Die Zirkusleute leben in einem festen Verbund zusammen. Sie plagen Familiensorgen ebenso wie Existenzängste. Viele Schausteller haben Mühe, Plätze in den Städten zu bekommen. Im Moment wird gefordert, dass sie ihre Fahrzeuge so umrüsten, dass sie grüne Plaketten erhalten, um damit in die Städte fahren zu dürfen. Als Seelsorger bringt man eine andere Sicht ein und ist oft der Einzige, mit dem die Schausteller außerhalb der Gemeinschaft über Probleme reden können.

Inwiefern unterscheidet sich die Begleitung von anderen Gemeinden?

Ellinghaus Es ist eine Seelsorge des Hingehens. Glauben wird dort diametral zu anderen Lebensgewohnheiten gelebt. Während in anderen Pfarreien der Sonntag der wichtigste Tag ist, finden dort Begegnungen meistens unter der Woche statt, nach dem Aufbau und vor der Weiterreise. Man passt sich dem Rhythmus des fahrenden Volkes an.

Sie halten Gottesdienste in der Zirkusmanege oder auf der Plattform von Autoscootern ab. Wie stellen Sie ein kirchliches Ambiente her?

Ellinghaus Ich muss alles mitbringen. Mein Transporter ist meine fahrende Sakristei. Darin bewahre ich Tücher, Messgewänder, Wein, eine Osterkerze und Kelche auf. Ich muss meine Kirche erobern, indem ich meinen Gottesdienst an einem ungewöhnlichen Ort aufbaue. Ein einfacher Klapptisch wäre mir zu wenig. Die Schausteller sollen spüren, dass Gott in ihrer Mitte gegenwärtig ist, dazu braucht es eine würdige Atmosphäre.

Beim Aufbauen der Stuhlreihen helfen Ihnen die Zirkusleute aber, oder?

Ellinghaus Selbstverständlich. Ich kann viel von ihnen lernen: Sie sind Profis beim Verstauen und dem Leben auf engstem Raum.

Sie mussten Ihre Aufgaben in Dortmund für die Leitung der Zirkusseelsorge niederlegen. Ist Ihnen das schwergefallen?

Ellinghaus Es tut mir leid um die Kontakte, die dort entstanden sind. Aber ich habe mich gefreut, den Job zu übernehmen. Es ist aber nicht so, dass der Pastor sich auf der Kirmes vergnügt. Meine Berufung und meine Arbeitsfelder liegen auf der Rückseite des Geschäfts hinter den bunten Fronten bei den Menschen, die dort leben und arbeiten.

Wenn Sie sich trotzdem eine Fahrt auf einem Fahrgeschäft aussuchen dürften. Welches wäre es?

Ellinghaus Karussell fahren vertrage ich nicht. Im Alter von 30 Jahren hat mein Magen beschlossen, dass das nichts für mich ist. Ich kann nur noch der Tester der Imbissbetriebe sein (lacht). Ich erfreue mich an der Technik und gehe gerne über einen Jahrmarkt oder in den Zirkus.

(RP)
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