Stockholm Leuchtende Geweihe verhindern Unfälle

Stockholm · In Finnland werden die Geweihe von Rentieren mit Leuchtfarbe angemalt. Das Projekt soll Straßen sicherer machen.

Weihnachten ist die Zeit der festlichen Lichter, aber 500 Rentiere mit leuchtenden Geweihen mögen manch einem etwas übertrieben erscheinen. Gemächlich traben die imposanten Tiere durch die derzeit fast den ganzen Tag ins nächtliche Dunkel gehüllten Wälder Lapplands. Die Vierbeiner leben alle nahe des Ortes Rovaniemi in Nordfinnland. Der bezeichnet sich zwar als "offizielle Heimatstadt des Weihnachtsmanns" und hat dieses Motto sogar markenrechtlich schützen lassen. Es gibt dort den "echten Weihnachtsmann" und einen Weihnachtsmannpark, der jährlich viele Touristen anlockt. Doch damit hat das Leuchten der Rentiere nichts zu tun. Es geht, ganz unromantisch profan, um mehr Sicherheit im Straßenverkehr.

In Lappland betreibt vor allem die indigene Bevölkerungsgruppe der Samen traditionell Rentierzucht im großen Stil. Insgesamt leben rund 200 000 Rentiere im Land. Weil es so viele Rentiere gibt, kommt es selbst im dünn besiedelten Lappland häufig zu Verkehrsunfällen. Und das wird in der Regel teuer, für Autofahrer wie für Züchter. Rentiere, besagt die Statistik, sind in Finnland an 3000 bis 5000 Straßenunfällen im Jahr beteiligt. Die leuchtenden Geweihe sollen nun helfen, Unfälle künftig zu vermeiden.

Nur Weibchen wurden angemalt, sagt Anne Ollila vom Rentier-Zuchtverband, der das ungewöhnliche Pilotprojekt initiierte. Die weiblichen Tiere behalten ihre Geweihe auch im Winter, weil sie damit den Nachwuchs beschützen. Die Männchen stehen weiter unsichtbar im Dunkeln, denn sie brauchen ihr Geweih nur in der Paarungszeit, um bei den Weibchen Eindruck zu schinden und Konkurrenten zu vertreiben.

Die Farbe leuchtet wie ein Katzenauge am Fahrrad. Bei einer ersten Testphase mit rund 20 Exemplaren haben die Rentierzüchter festgestellt, dass die Vierbeiner frühzeitig gut sichtbar werden, wenn sie sich auf eine Landstraße verirren. "Das Geweih ist aus allen Richtungen gut zu sehen", erklärt Ollila. Den Farbstoff hat der Verband von der schwedischen Firma Trackinvest. Die sieht ein großes Potenzial, sollte der Pilotversuch Schule machen. Auch das Wild in Mitteleuropa könnte ein Markt werden, hofft man dort. Bisher lief der Verkauf eher zäh. Ursprünglich war der Farbstoff für Jacken, Fahrräder und Hunde gedacht.

"Dass Autofahrer sich erschrecken könnten, glauben wir nicht", sagt Ollila. Ausschließen kann sie das aber nicht. Man werde beobachten, was nun mit den so signifikant markierten Tieren geschehe, sagt sie. Die Sorge von Tierschützern, dass Rentiere mit leuchtendem Geweih wegen ihrer Andersartigkeit aus der Gemeinschaft ausgeschlossen werden könnten, habe sich im Versuch als unbegründet erwiesen. Zudem hat der Züchterverband festgestellt, dass hungrige Wölfe und Bären im finnischen Wald auf die optische Veränderung ihrer potentiellen Opfer nicht mit vermehrten Angriffen reagieren. Fluoreszierende Rentiere scheinen demnach den Appetit der Raubtiere nicht zu steigern. "Wir vermuten, die Tiere nehmen die Leuchtfarbe gar nicht wahr", meint Ollila.

Beim zweiten Versuch habe man festgestellt, dass Pinselleuchtfarbe für die Geweihe besser ist als das im Frühjahr verwendete Farbspray. Es sei laut Ollila allerdings nicht ganz einfach gewesen, das Geweih eines sich bewegenden Rentiers anzumalen. Die Hirsche können bis zu 300 Kilogramm schwer werden und erhebliche Kräfte entwickeln.

Die Idee, Tiere zum Leuchten zu bringen, ist nicht ganz neu. So erregten erst im April 2013 Genforscher aus Uruguay Aufsehen. Sie erschufen leuchtende Schafe, die dem Hirten und dessen Hund die Arbeit erleichtern sollten. Die Tiere wurden mit dem phosphoreszierenden Erbgut von Quallen ausgestattet.

(RP)
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