Düssel,dorf Marcumar: Wer gut eingestellt ist, soll dabei bleiben

Düssel,dorf · Der erste Themenabend unserer neuen Veranstaltungsreihe "RP-Expertenzeit - Gut leben" war dem Vorhofflimmern gewidmet, einer gefährlichen Herzrhythmusstörung.

Drei Kardiologen (Dong-In Shin, Uniklinik Düsseldorf; Istvan Szendey, Kliniken Maria Hilf, Mönchengladbach; Heribert Brück, niedergelassener Facharzt in Erkelenz) stellten sich den Fragen von RP-Redakteur Wolfram Goertz und der 150 Besucher im Konferenzzentrum der Rheinischen Post. Hier die wichtigsten Antworten.

Wie entsteht ein Vorhofflimmern (VHF)? Jeder Mensch hat vier Lungenvenen, die in den linken Vorhof des Herzens münden. Dort können sich elektrische Störfelder bilden, die den normalen Schlag des Herzens, den Sinusrhythmus, torpedieren. "Viele VHF-Patienten spüren Herzrasen als sehr schnellen, ungleichmäßigen Puls und fühlen sich bei Belastung schlapp", erklärt Brück. "Andere Patienten", so Shin, "merken nichts von ihrem VHF, haben aber das gleiche Risiko etwa für einen Schlaganfall." Das gilt auch für jene, die ihr VHF nur selten bekommen. Weitere Formen: "Manche Menschen haben bei VHF einen zu langsamen Herzschlag, und wenn ihnen schwindlig wird bis zur Ohnmacht, muss man über einen Schrittmacher nachdenken", erläutert Szendey. "Das gilt auch für Patienten, die nachts aus einem langsamen Herzschlag ins VHF fallen; auch bei ihnen wird es meist von einem Extraschlag in der Vorkammer, einer Extrasystole, ausgelöst."

Wie stellt man Vorhofflimmern fest? Durch ein EKG. Shin: "Wenn die Symptome in der Praxis schon abgeklungen sind, kann man ein Langzeit-EKG verordnen." Szendey ergänzt: "Manchmal ist es sinnvoll, einen Event-Recorder zu implantieren. Der zeichnet die VHF-Episoden eigenständig auf." Bei Patienten, die bereits Herzerkrankungen haben, wird die Wahrscheinlichkeit höher, dass sie auch VHF bekommen.

Wird die Krankheit auf Dauer gefährlicher? Ja, meistens beginnt sie mit anfallsartigen Beschwerden, die oft wieder verschwinden. "Trotzdem müssen sie behandelt werden, erst recht, wenn die Episoden länger werden", warnt Brück. Gehen sie nicht mehr weg, muss man über eine Katheterablation nachdenken, eine Verödung jener elektrischen Störfelder im Bereich des linken Vorhofs. Die Krankheit birgt ja ein doppeltes Risiko: zum einen für eine Herzschwäche, weil das Herz die Belastung auf Dauer nicht verträgt, zum anderen für einen Schlaganfall, weil sich durch den unregelmäßigen Rhythmus Blutgerinnsel bilden können, die ins Gehirn gelangen.

Wie behandelt man die Krankheit? Indem man die Risiken für Herzschwäche und Schlaganfall mindert. Brück: "Wir versuchen, den Normalrhythmus wiederherzustellen, und wir hemmen die Blutgerinnung, damit sich kein Thrombus bildet." Für den Rhythmus gibt es Medikamente und die Möglichkeit eines Elektroschocks. "Den nennt man Kardioversion, von der die Patienten aber nichts merken, weil wir sie medikamentös schlafen lassen", sagte Szendey. "Manchen Flimmerern verschreiben wir auch eine Notfall-Pille für die Tasche", so Shin.

Kann man das operieren? Eine Katheterablation wird wie durchs Schlüsselloch vorgenommen. "Man schiebt die Katheter durch die Leistenvene in den rechten Vorhof, durchsticht die Herzscheidewand und kann im linken Vorhof die Störfelder mit Hitze oder Kälte isolieren", berichtet Shin. "Für diesen Eingriff braucht man Erfahrung", so Szendey. Manchmal muss er wiederholt werden. Wie wird das Blut verdünnt? Indem die Gerinnung des Bluts gehemmt wird. "Dafür gibt es seit Jahren Marcumar, mit dem viele Patienten keine Probleme haben", sagt Brück. "Allerdings sind einige schlecht eingestellt, das sieht man an den Gerinnungs-Zielwerten, die sie verfehlen. Das kann zu Blutungen oder zu Embolien führen", warnt Shin. Für schlecht einstellbare VHF-Patienten kommen neue Medikamente mit den Wirkstoffen Dabigatran, Apixaban oder Rivaroxaban in Betracht. Sie hemmen die Blutgerinnung auf einer anderen Ebene, sind aber teuer. Szendey: "Wir wissen, dass sie Marcumar nicht unterlegen sind. Wie bei Marcumar gibt es aber auch eine Blutungsneigung, zwar weniger im Gehirn, aber anderswo im Körper, und solange es kein Gegenmittel gibt, das eine Blutung schnell stoppt, besteht halt ein gewisses Risiko." Tenor der drei Kardiologen: Wer gut auf Marcumar eingestellt ist und seine Werte kontrolliert, sollte bei Marcumar bleiben. Bei neuen VHF-Patienten kann es sinnvoll sein, dass sie jene neuen Gerinnungshemmer nehmen.

Wortlaut auf www.rp-online.de/leben

(RP)
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