Karl Lagerfeld im Interview "Ich bin ein langweiliger Tugendpinsel"

Berlin · Der Modeschöpfer wird nicht nur für seine Kreationen gefeiert, sondern auch für seine Fotos - neuerdings von seiner Katze, Miss Choupette.

Umparken im Kopf? Das hat er nicht nötig, bei ihm läuft es sowieso wie am Schnürchen, und am liebsten macht er alles parallel. Karl Lagerfeld gehört zu den bekanntesten Menschen auf diesem Planeten. Kein lebender Modeschöpfer, geschweige denn ein deutscher, wird weltweit so gefeiert wie der 81-Jährige. Für seine Mode genauso wie für seine Person und für den neuen Star an seiner Seite: Miss Choupette. Die weiße Birmakatze mit den unwiderstehlich blauen Augen hat sich den neuen Opel Corsa gekrallt, und Lagerfeld setzte sie für den Kalender des Autobauers in Szene. Zur Eröffnung der Fotoschau, die bis 22. Februar im Palazzo Italia Unter den Linden zu sehen ist, flog Lagerfeld für ein paar Stunden mit seinem Privatjet in Berlin ein - ohne seine Miss.

Herr Lagerfeld, haben Sie Angst davor, dass Choupette Ihnen die Schau stiehlt?

Karl Lagerfeld Nein. Sie kennen doch das berühmte Bild von Velázquez mit der kleinen, weißen Prinzessin umringt von Zofen und Zwergen. Das ist Choupette, sie ist das Zentrum, alles dreht sich um sie. Und mir die Schau zu stehlen, das ist auch nicht so einfach, weil sie kein Mensch ist und nicht so schwadroniert wie ich.

War es aufregend, die Katze vor der Linse zu haben?

Lagerfeld Schon. Es gilt als schwierig, Tiere zu fotografieren und vor allem Katzen, die ja nicht tun, was man sagt. Aber an dem Tag war Choupette unglaublich, sie hatte ihre Lieblingszofe dabei und in drei Stunden waren die Fotos im Kasten. Das ist ein Mirakel, ich habe nicht geglaubt, dass es klappt.

Wird sie nun öfter ihr Model sein?

Lagerfeld Nein, so wenig wie möglich, wir sind doch Tierfreunde. Obwohl weltweit und sogar aus China und Korea Anfragen kommen. In Japan, wo sie schon Werbung für den Kosmetikkonzern Shu Uemura gemacht hat, sind alle verrückt nach ihr. Ich hätte nie gedacht, dass man aus dreieinhalb Kilo mit weißem Pelz einen Weltstar machen kann. Sogar auf der Straße fragen die Leute "Wie geht es ihr?" - das ist doch unglaublich. Jeder kennt sie.

Da geht es der Mieze offenbar wie Ihnen, oder? Sie nennen sich ja inzwischen selbst Logofeld statt Lagerfeld und treiben sich als "Marke" aktiv voran.

Lagerfeld Tja. Aber das ist mehr improvisiert. Ich bin kein Marketingmensch.

Sie sind offenbar 24 Stunden im Einsatz. Wie schaffen Sie das?

Lagerfeld Einsatz klingt wie Krieg. Ich bastele lieber in Heimarbeit. Morgens bin ich zu Hause und nachmittags in den Ateliers. Ab und an frage ich mich zwar, wie soll ich das alles schaffen? Und dann schaffe ich es eben.

Woher nehmen Sie die Energie?

Lagerfeld Ich bin ein langweiliger Tugendpinsel und sehr organisiert. Wenn ich Mode mache, vergesse ich, dass ich Fotograf oder Filmemacher oder Verleger bin. Ich mache alles selbst und habe nicht wie andere ein Bureau de Style. Das eine Metier inspiriert das andere und alle sind mir gleich wichtig, sonst wären das ja Stiefkinder - furchtbar. Außerdem: Das Gehirn ist wie ein Muskel, Appetit kommt beim Essen und die Idee bei der Arbeit. Von zwei Wochen faul am Strand rumliegen wird man nur dumm.

Sie leben im Hier und Jetzt und sagen "Paradise is now". Haben Sie ein Testament?

Lagerfeld Mir ist egal, was nach mir mit Chanel oder Fendi passiert, das ist deren Sache. Die Friedhöfe sind voller Leute, die unbedingt gebraucht wurden. Aber natürlich habe ich ein Testament, sonst kommt alles in falsche Hände. Und für Choupette ist sowieso gesorgt.

Wie?

Lagerfeld Das Geld, das sie verdient, geht auf ein Extrakonto. Wer sich einmal um sie kümmern wird, der muss sich keine Sorgen machen, da kommt schon einiges zusammen. Ich will doch, dass es ihr gut geht, und das Schlimmste für mich wäre, Choupette zu überleben. Schauen Sie mal (er öffnet die Nachrichten auf seinem iPhone): Vorhin hat sie gegessen - am Tisch und nicht auf dem Boden. Jetzt schläft sie gerade.

Das heißt, Sie wissen immer, was Ihre Katze treibt?

Lagerfeld Natürlich. Bis ich nachher wieder zu Hause bin, schicken die Zofen mir Fotos - und das im Fünf-Minuten-Takt.

DAS INTERVIEW FÜHRTE DAGMAR HAAS-PILWAT.

(RP)
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