Düsseldorf Genforscher wollen Aussehen voraussagen

Düsseldorf · US-Wissenschaftler Craig Venter behauptet, aus Erbgut berechnen zu können, wie Gesichter von Menschen aussehen werden.

Der US-Wissenschaftler Craig Venter bereitet den nächsten Paukenschlag in der Genforschung vor. Bei einem Vortrag verkündete der Genetiker, dass er aus der DNA eines Menschen dessen Aussehen berechnen könne. Seine Software liefere gute Ergebnisse für das Gesicht und die Farbe von Haaren und Augen, sagte der 69-Jährige. Mit dieser Methode könnte die Polizei in Zukunft aus einer einfachen DNA-Probe am Tatort Phantombilder des Täters erzeugen. Zu Venters Plänen gehört auch, dass Eltern schon vor der Geburt ihres Kindes eine Art Foto von ihrem Nachwuchs bekommen können.

Zwei Jahre ist es still gewesen um den umstrittenen Genforscher. Damals hatte er vollmundig angekündigt, er wolle mit seiner neuen Firma "Human Longevity Inc." die größte DNA-Datenbank der Welt aufbauen: die Digitalisierung der Biologie, eine riesige Sammlung der medizinischen Daten und des kompletten Erbguts von kranken und gesunden Menschen. Für die Gesichts-Berechnung verwendete Venters Team die Daten von etwa 1000 Freiwilligen, die mit 100 Dollar entlohnt wurden. Die haben nicht nur ihr Erbgut vollständig analysieren lassen, sondern die Forscher erstellten auch umfangreiche Fotoserien von ihnen: Bilder der Augen und Ohren, 3D-Fotos des Gesichts und eine Auswertung der Haarfarbe. Die digitalisierten Daten speiste Venter in einen Computer und suchte nach Zusammenhängen mit der Gen-Analyse. "Es war klar, dass die Gene eines Menschen sein Aussehen bestimmen, deshalb mussten wir erfolgreich sein", sagt der Forscher.

Besonders gut scheint die Methode bei den Augen zu funktionieren. "Wir können die Augenfarbe aus der DNA präziser vorhersagen, als die Menschen ihre eigenen Augen beschreiben können", berichtet Venter. Die vorhergesagten Porträts seien noch "ein wenig unscharf", schränkte er ein, aber dieses Problem ließe sich lösen.

Tatsächlich wirken die aus der DNA berechneten Gesichter, die Venter während seines Vortrags zeigt, verschwommen. Sie besitzen dennoch eine große Ähnlichkeit mit dem Original. Doch die Porträts aus dem Computer haben noch eine andere Schwäche. Sie sind fast immer symmetrisch, obwohl nur wenige Menschen ein so gleichmäßiges Gesicht haben. Was die Vorhersage des Computers leisten vermag, hat der als selbst verliebt geltende Wissenschaftler wieder einmal mit seiner eigenen DNA getestet. "Meine Frau hat mich auf dem vom Computer generierten Bild sofort erkannt", erzählt er, "sie sagte spontan, dass Foto zeige mich als jungen Mann oder meinen Sohn." Die Software könne das Antlitz auch altern lassen, bis das tatsächliche Lebensalter erreicht ist.

Craig Venters Idee ist weder neu noch einmalig. 2014 stellte eine Gruppe der Pennsylvania State University ihr Konzept vor, um aus der DNA das Aussehen eines Menschen zu berechnen. Doch während dieses Forscherteam mit 44 grundlegenden Gesichtsproportionen arbeitete und einige hundert Gene damit assoziierte, zerlegen Venters Großrechner das Gesicht in 30.000 einzelne Messpunkte und verwenden gleich die komplette DNA. Wieder einmal scheint es dem Pionier der Genforschung zu gelingen, die Fähigkeiten der Supercomputer präzise einzusetzen.

Doch Venters Ankündigungen schlägt viel Skepsis entgegen. Wenn Computer Fotos erstellen, sind Manipulationen einfach. Bisher wurde keines der Forschungsergebnisse in einer Fachzeitschrift veröffentlicht. Damit ist es anderen Wissenschaftlern nicht möglich, die Methode und ihre Resultate zu überprüfen. Der Gen-Forscher hat zwar angekündigt, dass es wissenschaftliche Veröffentlichungen geben werde, aber offengelassen, wie viel seines Wissens er wirklich preisgeben wird.

Bis dahin beeindruckt Venter mit technischen Details, die seinen Hang zu großen Maschinen dokumentieren. "Human Longevity Inc." verfügt über 50 Automaten, die das Erbgut in einzelne Bausteine zerlegen. Diese Ausstattung lässt jeden europäischen Gen-Forscher blass werden. Außerdem steckt Venter seine Freiwilligen in weitere Großgeräte der Medizin: Ganz-Körper-Untersuchungen im Computertomographen und im MRT, Ultraschall, Stimmprofile, aufwendige Analysen von Blut und Darmflora, sowie die Messung der Knochendichte und des Fettgehalts einzelner Gewebe.

Der Gen-Forscher verwandelt die Körper seiner Freiwilligen in gläserne Objekte. 20.000 Menschen hätten dieses Angebot bereits genutzt, bis zum Jahr 2020 will "Human Longevity Inc." eine Million dieser Datensätze sammeln. Eine engere Zusammenarbeit mit Versicherungen soll das schnelle Wachstum der Datenbank beflügeln. Nach Venters Angaben profitierten die Freiwilligen von der maschinengetriebenen Analyse.

Bei einem Drittel der Teilnehmer habe man "signifikante klinische Befunde" entdecken können, noch bevor die Symptome einer Krankheit aufgetreten seien. Manche Ergebnisse der Superrechner haben selbst den Experten überrascht. So entdeckte der Computer, dass man aus dem Stimmprofil eines Menschen mit großer Sicherheit seine Größe berechnen kann.

(RP)
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