Sprechstunde Walter Frasch Krampfadern gefährden auch die Speiseröhre

Blutungen aus den sogenannten Ösophagus-Varizen sind gefürchtet. Ursache ist fast immer eine Lebererkrankung.

Unser Leser Jürgen F. (64) aus Velbert fragt: "Ich bin leberkrank und habe gehört, dass dabei Krampfadern in der Speiseröhre auftreten können. Wie kommt das? Ist das gefährlich?"

Walter Frasch Eine Varize, also die deutsche "Krampfader", hat nichts mit einem Krampf zu tun, sondern beschreibt ein stark gekrümmt laufendes Blutgefäß. Eindrucksvoll lassen sich Varizen oft an den Beinen venenkranker Menschen beobachten. Wenn sich diese prallen, bläulichen und aufgetriebenen Venen in der Speiseröhre entwickeln, sprechen wir von Ösophagus-Varizen. In Europa ist ihre Hauptursache die Leberzirrhose. Dabei bleibt die Entwicklung des Problems immer gleich. Beim Gesunden fließt das Blut, das die Nahrungsbestandteile aus dem Darm aufgenommen hat und unseren Treib- und Baustoff transportiert, über die Pfortader zur Leber. Infolge der Zirrhose ist die Leberarchitektur so narbig verändert, dass der normale Blutdurchfluss gestört ist. Dadurch steigt der Druck in diesem System so an, dass sich das Blut neue Wege an der Leber vorbei sucht. So entstehen Varizen in der Speiseröhre, sie können sich aber auch im Magen, im Bereich von Milz oder After entwickeln oder sogar um den Nabel herum auftreten. Gefürchtet sind Blutungen aus diesen Ösophagus-Varizen, deren Wand dünn ist. Der Blutverlust kann recht groß sein. Bei einer fortgeschrittenen Leberzirrhose betrifft das einen bereits kranken Menschen mit meist gestörter Blutgerinnung. Deshalb muss bei Verdacht auf eine solche Blutung, die sich durch schwarzen Stuhlgang oder sogar Bluterbrechen zeigen kann, immer eine Notfallbehandlung im Krankenhaus erfolgen. Man wird versuchen, die Situation zu stabilisieren und sich durch endoskopische Untersuchungen Gewissheit zu verschaffen oder andere Blutungsursachen zu erkennen. Dabei besteht dann auch die Möglichkeit, gleichzeitig eine Blutstillung durch Aufbringen von Gummiringen oder Einspritzen von Gewebeklebern zu erreichen. Um diese Erstblutungen zu verhindern, sollte jeder Patient, bei dem Ösophagus-Varizen nachgewiesen wurden, medikamentös behandelt werden. Man konnte nachweisen, dass die Gabe von Betablockern den Druck in den Varizen senken und das Blutungsrisiko mindern kann. Entscheidend ist aber die Behandlung der Grunderkrankung. Bei der alkoholbedingten Leberzirrhose lässt sich bei Alkoholverzicht oft eine dramatische Besserung der Leberfunktion erreichen. Eine Hepatitis-B- oder C-Infektion kann ebenfalls meist ursächlich behandelt werden. Sonst bleibt bei weiterer Verschlechterung der Leberfunktion nur die Lebertransplantation zur Heilung, die im Einzelfall sehr segensreich, aber bekanntlich nur begrenzt verfügbar ist.

Walter Frasch ist Gastroenterologe in Viersen.

(RP)
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