Düsseldorf "Selbstständigkeit lernen"

Düsseldorf · Die Kinder behüten, ihnen Aufmerksamkeit schenken, sie aber auch selbstständig groß werden lassen und nicht ständig mit Adleraugen über ihre Schultern schauen, ob sie auch ja alles richtig machen: Das ist vermutlich der schwerste Balanceakt der Kindererziehung. Irmgard Wirtz-Gerlach, Kinderärztin in Düsseldorf, weiß, dass viele Eltern das Richtige machen, wenn sie ihre Kinder schon früh als autonome Wesen begreifen. Bei manchen Eltern ist noch etwas Nachhilfe nötig.

"Kinder sollten an Regelmäßigkeit gewöhnt werden, dazu zählen unbedingt feste Essenszeiten", sagt Wirtz-Gerlach. Wer esse, wann er will, habe später große Schwierigkeiten, der Gefräßigkeitsfalle zu entkommen, und viele Kinder würden dadurch adipös. "Wichtig ist auch, dass Kinder nicht dauernd betüddelt werden und lernen, dass sie mit anpacken. Früher haben wir das alle gemusst, und es hat keinem geschadet." Wer als Kind dauernd alles abgenommen bekomme und beispielsweise nicht in der Küche helfen müsse, der verliere Fähigkeiten und gewöhne sich nicht daran, dass auch für Kinder Regeln gelten. Zugleich verpassen Kinder, die aus der Küche verbannt werden, unerhörte Glücksmomente, wenn sie ihre ersten eigenen Rezepte nicht aussuchen und ausprobieren können.

Sich an Selbstständigkeit zu gewöhnen, sei auch bei den Hausaufgaben wichtig. "Viele Eltern spüren intuitiv, dass Kinder dabei nicht mit Argusaugen begutachtet werden sollten", sagt Wirtz-Gerlach. Hinterher könne man kontrollieren und auch nachbereiten, doch müssten Kinder lernen, ohne ständige Ermahnung ruhig und konzentriert zu arbeiten.

Ähnliches gilt fürs Einschlafen. "Kinder sollten früh daran gewöhnt werden, dass sie allein im Bettchen sicher sind und allein einschlafen können", weiß Wirtz-Gerlach. Falls sie nachts aufwachen, könnten sie bei solchem Training besser wieder allein einschlafen, ohne die Eltern zu alarmieren. Letzte Tipps der erfahrenen Kinderärztin: Kinder sollten nicht jeden Nachmittag zu Sport oder Freunden kutschiert werden; sie müssten lernen, sich daheim auch mit sich selbst zu beschäftigen. Bei Gesellschaftsspielen sollten Eltern ihre Kinder nicht absichtlich gewinnen lassen, sondern nur dann, wenn das Kind, das kindliche Fehler mache, dauernd verliere. Und schließlich gelte weiter der alte Merksatz: "Die Geburt ist der erste Schritt der Trennung."

(RP)
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