Manifest "Kultur des Lebens" CDU-Senioren vermissen das Christliche

Berlin (RP). Mehr Orientierung, mehr Führung, ein klares Leitbild. Was die immerhin 57.000 Mitglieder zählende Senioren-Union in ihrem Manifest namens "Kultur des Lebens" fordert, ist auch als Wink an CDU- Parteichefin und Bundeskanzlerin Angela Merkel zu verstehen.

Starke Frauen in der CDU
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In dem Papier der Senioren, das vor allem vor der heutigen Abstimmung im Bundestag über die Präimplantationsdiagnostik (PID) noch einmal an "das christliche Menschenbild" der Union und für ein Verbot des Gentests an Embryonen appelliert, wird in manchem Nebensatz deutlich, was viele an der christdemokratischen Basis derzeit umtreibt: Sie wissen nicht mehr, wohin die Reise geht. Mit Merkel, mit ihrer Partei.

Die Stimmung gegenüber Berlin und der Kanzlerin sei derzeit nicht besonders gut, berichtet etwa ein Mitglied der Bundestagsfraktion aus seinem Landesverband. Erst die Aussetzung der Wehrpflicht, dann der zügige Atomausstieg, ein Papier zur Abschaffung der Hauptschule — alte Gewissheiten kommen im Wochentakt auf den Prüfstand und werden, so scheint's, in ihr Gegenteil verkehrt.

Wunsch nach Leitlinien

Aus dem Manifest der Senioren spricht der Wunsch nach neuen alten Leitplanken. Es sei "eine breit angelegte gesellschaftliche Debatte — nicht nur innerhalb der CDU — darüber notwendig, was die Eckpfeiler unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens und politischen Handelns sind". Für die CDU bedeute das: Sie darf ihre "ethischen Fundamente ,nicht schleifen'". "Wenn nur gut ist, was modern ist, fahren wir gegen die Wand", sagt der Bundesvorsitzende der Senioren-Union, Otto Wulff. Die CDU sei verpflichtet, mehr zu tun.

"In Zeiten, wo Menschen verunsichert sind, brauchen sie einen Ansprechpartner." Der Rat der Senioren in Richtung Parteiführung: "Konsequent am ,C' orientiert politisch handeln." In der PID-Debatte sei die CDU "leider nicht mehr konsequent". Die Senioren erinnern "ausdrücklich" an das Grundsatzprogramm, das sich die Partei gegeben hat. Und warnen: Grundsätze und Wertegerüst der Union würden im Alltag "immer mehr verschwimmen".

"Wertegerüst verschwimmt"

Auch der Politikwissenschaftler und Merkel-Biograf Gerd Langguth meint: "Die CDU muss natürlich aufpassen, dass sie ihre Mitglieder mitnimmt." Es sei gefährlich, die Partei mit ständig neuen Entscheidungen zu überfrachten, die die Basis nicht nachvollziehen kann. Allerdings verfüge die Union im Gegensatz zu anderen Parteien noch über eine gesunde Mitgliederstruktur, die sie zusammenhalte. "Abgeordnete und das Führungspersonal der CDU müssen sich aber stärker bemühen, auf die Menschen zuzugehen", meint Langguth. Und: "Sie muss vorsichtig sein bei der Modernisierung, denn sie hat auch ihre konservativen Mitglieder mitzunehmen."

Neue Wege in der Familienpolitik etwa müssten besser erläutert werden. Dabei habe die Parteivorsitzende Angela Merkel, Protestantin aus dem Osten, es schwerer als ein Friedrich Merz oder ein Roland Koch, die das Konservative quasi schon mit der Muttermilch aufgesogen hätten. Katholisch, westdeutsch, traditionsbewusst, so würden die genannten Herren wahrgenommen. Dagegen sei die Kanzlerin noch immer "das unbekannte Wesen".

Die rheinland-pfälzische CDU-Chefin Julia Klöckner, die auch Mitglied im Präsidium der Bundespartei ist, verteidigt Merkels Stil. "Sie lebt kein großes Pathos, aber sie ist authentisch." Sie sieht auch nicht, dass die Union mit alten Gewissheiten bricht, sondern diese "weiterentwickelt". "Wer nicht bereit ist, sich zu wandeln, wird gehen." Klöckner räumt zwar ein, dass "in der Kommunikation" noch vieles verbessert werden müsste. Am neuen Kurs ihrer Partei, die nichts anderes mache, als Antworten für eine sich verändernde Gesellschaft zu finden, will sie aber festhalten und dabei "den Kern erhalten": Keinen "Nanny"-Staat, Hilfe zur Selbsthilfe, Freiheit für die Entfaltung des Einzelnen. Eben erst habe sie einen Brief von einem Mitglied der Senioren-Union erhalten, der ihr zeige: "Man akzeptiert mich. Ich bin eine Frau an der Spitze der Union. Ich habe keine Kinder." Die Partei dürfe keine Angst haben vor Umbrüchen.

(RP)
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