Reform der Grundsteuer Dieses Urteil ist eine harte Nuss für Olaf Scholz

Meinung | Karlsruhe · Der Finanzminister muss die Grundsteuer reformieren. Das wird für Millionen Haushalte zu Steuererhöhungen führen. Andere werden froh sein, weil sie entlastet werden. Scholz wird Klartext reden müssen: Das Allgemeinwohl muss stets über den Einzelinteressen stehen.

 Bundesfinanzminister Olaf Scholz (Archiv).

Bundesfinanzminister Olaf Scholz (Archiv).

Foto: dpa, nie jai

Der Gleichheitssatz unserer Verfassung muss auch gelten, wenn es um die Besteuerung von Grund und Boden geht. Das hat das Bundesverfassungsgericht klargestellt, und das ist gut so. Es darf nicht weiter sein, dass der Eigentümer einer Gründerzeitvilla in heute begehrter Lage genauso viel Grundsteuer zahlt wie der Eigentümer eines Hauses in weniger guter Lage, nur weil der Immobilienmarkt des Jahres 1964 ein anderer gewesen ist als der von 2018. Die westdeutsche Grundsteuer beruht auf veralteten Einheitswerten von 1964, in Ostdeutschland greifen sie sogar auf 1935 zurück, die Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg.

 Siedlung mit neugebauten Wohnhäusern (Symbolbild).

Siedlung mit neugebauten Wohnhäusern (Symbolbild).

Foto: dpa, obe pzi htf wst

Das Verfassungsgericht hat dem Gesetzgeber bis Ende 2019 Zeit gegeben, diesen verfassungswidrigen Zustand zu beenden und eine verfassungsfeste Reform auf den Weg zu bringen. Das ist für ein so komplexes Thema, das praktisch für jeden Haushalt in Deutschland bedeutsam ist, sei es als Immobilieneigentümer oder als Mieter, zwar nicht besonders viel Zeit, aber sie sollte ausreichend sein.

Das heikle Thema wurde jahrelang ausgesessen

Finanzminister Olaf Scholz hat eine harte Nuss zu knacken. Er muss gewissermaßen ausbaden, dass die Politik das heikle Thema jahrzehntelang ausgesessen hat. Daran war er auch persönlich als Hamburger Bürgermeister beteiligt. Zur praktischen Umsetzung der Reform hat das Gericht dem Staat wohlweislich weitere fünf Jahre bis Ende 2024 Zeit gegeben. Auch damit gibt es angemessen viel Zeit: Es sollte wohl gelingen, die 35 Millionen Grundstücke in Deutschland innerhalb von fünf Jahren neu einzustufen.

Es ist schlicht die normative Kraft des Faktischen, dass die Grundsteuer infolge dieses Urteils für viele Immobilien in solchen Lagen steigt, in denen es in den vergangenen Jahrzehnten Wertsteigerungen gegeben hat. Sie wird umgekehrt in heute schlechteren Lagen sinken. Einerseits für eine gerechtere Grundsteuer zu sorgen, andererseits aber einzelne Haushalte nicht mehr zu belasten, wäre eine Quadratur des Kreises.

Wollte die Koalition Steuererhöhungen für jeden Einzelfall verhindern, könnte sie nur tief in die Bundeskasse greifen und den Kommunen, die auf diese zweitwichtigste Einnahmequelle dringend angewiesen sind, die Einnahmeausfälle ausgleichen. Auch das wäre aber wiederum ungerecht, weil dann andere Steuerzahler dafür bluten müssten, dass sich für vermögende Grundstückseigentümer überhaupt nichts ändert. Das Allgemeinwohl muss in diesem Fall über den Einzelinteressen stehen. Dieses Verfassungsurteil wird also im Einzelfall zu Steuererhöhungen führen müssen. Im Ganzen aber sollte die Politik ihr Versprechen einhalten, das Steueraufkommen nicht durch die Hintertür zu erhöhen.

Wichtig wird auch sein, bei der Neubewertung der Grundstücke den Weg des geringsten bürokratischen Aufwands zu wählen. Eine Neubewertung nach dem Lieblingsmodell der Bundesländer, das auf einer Mischung aus Bodenwert und Gebäudewert beruht, dürfte ausscheiden, weil dieser Prozess zehn Jahre benötigen würde, das Gericht für die Umsetzung der Reform aber nur fünf Jahre Zeit gegeben hat. Viel spricht ohnehin auch aus anderen Gründen für eine pauschalisierte Bodensteuer, die sich nur am Grundstückswert bemisst. Eine solche Steuer wäre unabhängig von den Aufbauten: Das leere Grundstück würde ebenso besteuert wie das Grundstück mit dem Hochhaus daneben. Dadurch würde ein Anreiz gesetzt, das leere Grundstück mit mehr Wohnungen zu bebauen. Den Wohnungsbau anzukurbeln wäre angesichts der akuten Knappheit in Ballungsräumen wünschenswert.

Bleibt noch das nicht zu unterschätzende Mieterproblem: Ohne dass sie selbst etwas von der Wertsteigerung der Immobilien haben, werden sie in vielen Häusern künftig höhere Mieten zahlen müssen, weil Vermieter die höhere Grundsteuer auf sie umlegen können. Hier wird der Gesetzgeber soziale Lösungen finden müssen — und die Umlegbarkeit der Grundsteuer wohl begrenzen müssen.

(mar)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort