Pressestimmen zum Groko-Ja "Schwarmintelligenz der SPD-Basis hat gesiegt"
Die SPD (hier im Bild: Fraktionschefin Andrea Nahles mit Parteimitglied Rudolf Bannert) hat sich für eine Neuauflage der großen Koalition entschieden. Wir haben Pressestimmen gesammelt.
Huffington Post: Die Sozialdemokraten stürzen sich nicht mit Leidenschaft, sondern mit viel Leid in die GroKo. Das zeigte sich an der Totenstille im Willy Brandt Haus, als das Ergebnis des Mitgliederentscheids verkündigt wurde. Und an Olaf Scholz, der von einem Erfolg sprach, dabei aber selbst für sein norddeutsches Temper ament regungslos dreinblickte.
Rhein-Zeitung: Die SPD-Führungsriege steht nach den Chaostagen weiter besonders im Fokus. Es ehrt die älteste Partei Deutschlands zweifellos, wie offen, öffentlich und leidenschaftlich sie ihre Schicksalsfrage diskutiert, weniger aber, wie sie zuweilen mit eigenem Spitzenpersonal umgeht. Ausgerechnet Sigmar Gabriel, den weiterhin beliebtesten Sozialdemokraten, zwei Tage vor der Kanzlerinwahl bei der Präsentation der neuen SPD-Ministerriege übergehen zu wollen, würde kaum vom versöhnlichen Willen zur Geschlossenheit zeugen.
Leipziger Volkszeitung: Diejenigen in der Parteispitze, die in den vergangenen Wochen gegenüber den No-GroKo-Jusos behauptet haben, Regieren und die Partei erneuern sei gleichzeitig möglich, müssen jetzt liefern. Zurücklehnen geht nicht. Ein Weiter so darf es nicht geben. Die SPD muss wieder zur Denkfabrik der Nation werden.
Stuttgarter Zeitung: Die Frage wird sein, ob Merkels Union und die Sozialdemokratie kommunikativ gerüstet sind für eine Zusammenarbeit, die die Rivalität der beiden großen politischen Lager erneut aufhebt.
Münchener Merkur: Die Schwarmintelligenz der SPD-Basis hat gesiegt und mit Zweidrittelmehrheit jene Antwort auf die Frage GroKo: ja oder nein gegeben, die für Nicht-Sozialdemokraten ohnehin selbstverständlich war: Eine Partei, die einen in der Wolle rotgefärbten Koalitionsvertrag samt Spitzenposten im Kabinett aushandelt und dann zum eigenen Erfolg nein sagen würde, hätte jede Zukunft verspielt.
Heilbronner Stimme: Mit der Zustimmung zur großen Koalition haben SPD, CDU und CSU sowie Angela Merkel lediglich Zeit gewonnen. Von echten Volksparteien sind die Regierungspartner nach der fünfmonatigen Staatslähmung weit entfernt, weil sich die breite Masse der Wähler nicht mehr vertreten und verstanden fühlt. Jetzt geht es darum, endlich wieder Vertrauen zu gewinnen.
Mittelbayerische Zeitung: Die Neuauflage der Koalition ist der Beginn einer Übergangsregierung. Sie sollte nicht vier Jahre weiterbestehen und auf gar keinen Fall dann noch einmal fortgesetzt werden. Denn sobald die Bürger überzeugt sind, dass sie wählen können, was sie wollen, am Ende bekommen sie die zwei Altparteien serviert, könnten sie noch mehr alles Mögliche wählen - aber bloß nicht Union oder gar SPD.
Kölner Stadtanzeiger: Insbesondere die CSU war noch nie groß in Sachen Empfindsamkeit. Die Lautsprecher Seehofer, Scheuer und Co. sollten sich klarmachen, dass sie Macht und Ministersessel in Berlin am Ende allein der SPD-Basis verdanken, die sich in einer Mischung aus Pragmatismus und Prinzip für "klare Verhältnisse" entschieden hat. Vielleicht gelingt es den Großkoalitionären ja im dritten Anlauf, so etwas wie Gemeinsinn in der Verantwortung zu entwickeln.
Donaukurier: Die von den Jusos angestoßene und ständig weiter getriebene Diskussion (hat) vorgeführt, was Politik nämlich auch sein kann: Sachliches Ringen mit guten Argumenten um den besten Weg und das in aller Öffentlichkeit. Das ist einmal etwas völlig anderes als die Beschlussfassung in anonymen Zirkeln - womöglich noch vorbereitet durch Lobbyisten - deren Ergebnisse anschließend als angeblich alternativlos durchgedrückt werden
Rheinische Post: Entscheidend für die Bilanz dieser neuen Regierung wird sein, ob sie es schafft, die spürbare Distanz zwischen großen Teilen des Wahlvolkes und der Gewählten abzubauen. Das Gefühl, dass "die da oben" über alles mögliche reden, aber nicht über die tatsächlichen Probleme und Sorgen "der da unten" ist Sprengstoff in einer ohnehin polarisierten Gesellschaft.