Gott und die welt Wer Menschen zwingt, patentiertes Saatgut zu kaufen, erhebt sich über den Schöpfer.

Wenn jeder gibt, was er hat, dann werden alle satt - erinnern Sie sich an das Kinderlied, das an die Geschichte der wunderbaren Brotvermehrung aus der Bibel angelehnt ist? Es klingt so einfach: Wir teilen die Lebensmittel, die wir anbauen und erzeugen, und jeder hat genug zu essen. Dass das nicht geschieht, sehen wir täglich in den Nachrichten: Am Horn von Afrika zum Beispiel verhungern Menschen. So einfach ist Teilen eben doch nicht. Manchmal trennen uns buchstäblich Welten von Menschen in Entwicklungsländern. Nicht immer sind es Dürren oder Kriege, die eine gerechte Verteilung von Lebensmitteln verhindern. Oft sorgt die Gier großer Konzerne dafür, dass Menschen nicht das anbauen können, was sie zum Leben benötigen. Wussten Sie, dass drei Viertel des weltweiten Saatguts in der Hand von nur zehn Großkonzernen sind? Die lassen sich das Saatgut nicht nur teuer bezahlen, sondern vorher auch noch patentieren. Zum Beispiel wenn sie neue oder gentechnisch veränderte Pflanzen gezüchtet haben. Früher haben Landwirte ihr Saatgut selbst vermehrt.

Heute müssen sie Lizenzgebühren zahlen, wenn sie Ackerbau betreiben wollen - viele können sich das nicht leisten. Das verhindert den Hunger in der Welt nicht, das verstärkt ihn. Für die großen Religionen ist klar: Pflanzen und Tiere dürfen genauso wenig erfunden werden wie Menschen. Denn sie alle sind Teil der Schöpfung Gottes, die allen Menschen anvertraut ist. Wer Menschen zwingt, patentiertes Saatgut zu kaufen, der erhebt sich über unseren Schöpfer. Schlimm genug, Kapital aus einer Sache zu ziehen, die lebensnotwendig ist. Verwerflich aber ist es auch noch, arme Landarbeiter in eine Abhängigkeit zu bringen.

Der Kölner Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki schreibt hier an jedem dritten Samstag im Monat. Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: kolumne@rheinische-post.de

(RP)
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