Patrick Herrmann im Interview "Es ist brutal, ausgebremst zu werden"

Mönchengladbach · Borussia Mönchengladbachs schneller Außenstürmer Patrick Herrmann spricht im Interview darüber, wie er mit dem unglaublichen Verletzungspech umgeht, das ihn seit dem 8. Oktober 2015 verfolgt. Der vierte Teil unserer Serie über den Profifußball

Herrmann verletzt sich am Knöchel
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Foto: dpa, rje lof

Patrick Herrmann (25) war der Gladbacher Vorzeige-Spieler. Er hatte seine beste Saison gespielt und machte seine ersten beiden Länderspiele. Der Außenstürmer wurde mit Top-Clubs in Verbindung gebracht. Das war im Sommer 2015. Im Oktober begann eine unglaubliche Verletzungsserie; Kreuzbandriss, Schambeinreizung und nun Riss der Außenbänder, des vorderen Innenbandes und des Syndesmosebandes. Wenn am 5. Januar die Vorbereitung beginnt, war er seit dem 8. Oktober 2015 insgesamt 218 Tage verletzt und hat 30 Pflichtspiele verpasst. Ob er dann wieder einsteigen kann, ist offen. In den fünf Jahren zuvor war er "nur" 87 Tage verletzt. Herrmann sprach mit unserer Redaktion darüber, wie belastend die Situation ist und wie er damit umgeht.

Herr Herrmann, eine Verletzungshistorie wie Ihre seit Oktober 2015 steckt man nicht so einfach weg. Das greift schon die Seele an, oder?

Herrmann Es ist wirklich extrem. Ich war nach vielen Monaten Reha endlich zurück, kam in Berlin mal wieder von Beginn an zum Einsatz, war gut im Spiel und dann passiert so eine Katastrophe.

Ist es schwieriger, mit der zweiten Verletzung umzugehen?

Herrmann Schwer zu sagen. Die erste Verletzung war halt viel schwerer. Jetzt sind zwar ein paar Bänder im Fuß weg, aber ein Kreuzbandriss ist noch mal was anderes. Zumal es bei mir das hintere Band war und ich anfangs gar nicht wusste, wie es weitergeht. Trotzdem: Wenn wieder alles von vorn beginnt, die Reha und alles, das ist schwer zu verdauen.

Hatten Sie Angst um Ihre Karriere?

Herrmann Dass ich nicht mehr spielen kann, stand nicht zur Diskussion. Aber man wusste nicht, wie die Behandlung anschlägt, ob die Schmerzen wieder ganz weggehen. Aber es ist alles gut gelaufen.

Bei dem Kreuzbandriss war die Fallhöhe sehr hoch: Im Sommer 2015 waren Sie auf dem bisherigen Höhepunkt Ihrer Karriere und haben das Debüt im Nationalteam gefeiert. Und plötzlich waren sie raus.

Herrmann Das ist wahr. Ich hatte eine Riesenzeit. Dann kam dieses Testspiel in der Schweiz. Es war kein böses Foul, sondern ein Unfall, wie jetzt die Verletzung in Berlin. Es kann eben immer passieren — aber es gibt auch keinen schlechteren Zeitpunkt als jetzt bei mir. Zumal ich seitdem dauernd Pech habe.

Solche bösen Verletzungen spielen sonst gedanklich keine Rolle?

Herrmann Nein. Ich bin ja auch bis dahin bis auf einen Schlüsselbeinbruch gut durchgekommen. Man weiß, dass es sehr wahrscheinlich ist, irgendwann mal eine Verletzung davonzutragen. Aber dass es in dem Moment und so hart kommt, das war nicht leicht zu verkraften. In diesem Sommer kam ja noch die Schambeinreizung dazu. Das ist insgesamt gut verlaufen, aber man ist einfach gleich hintendran.

Wer gibt Ihnen Kraft?

Herrmann Meine Freundin, meine Familie, mein Hund. Aber alle müssen schon etwas aushalten. Man will ja spielen und kann nicht, da hat man nicht immer die beste Laune, und die Leute zu Hause bekommen auch mal was ab. Man will nicht so sein, aber man kann es auch nicht ändern. Ich sage es mal so: Ich bin froh, dass 2016 nun vorbei ist, es war nicht mein Jahr. Aber es war halt Mist, ich hake es ab und hoffe, dass es nun wieder besser wird.

Wie wichtig ist ein Zeitplan?

Herrmann Das ist eine Stütze. Jetzt war es so: drei Wochen mit Krücken, dann ein stabilisierender Schuh, dann langsam wieder das Gelenk mobilisieren, dann langsames Laufen. Sicherlich kann man nicht alles einhalten und es gibt auch Rückschläge — aber es ist gut, einen groben Plan zu haben. Man hat dann ein Ziel vor Augen. Das hilft.

Hilft es auch, wenn man in der Reha nicht allein ist? Als Sie den Kreuzbandriss hatten, waren ja einige Kollegen verletzt ...

Herrmann (lacht) ... und die meisten hatten was am linken Knie. Wir haben uns die "Trainingsgruppe linkes Knie" genannt und hatten sogar eine Whats-App-Gruppe. Wenn mehrere da sind, kann man sich gegenseitig mal aufziehen oder kleine Wettkämpfe machen. Das hat sehr geholfen. Wir haben etwas Spaß reingebracht, das war auch wichtig, weil es die Situation erleichtert hat.

Sind Sie geduldig, gerade, wenn es in die letzte Phase geht?

Herrmann Der Doc muss mich ein bisschen bremsen. Am schlimmsten ist die Phase, wenn die Verletzung gerade passiert ist. Dann scheint die Zeit endlos lang zu sein. Mittendrin hat man immer kleine Erfolgserlebnisse. Zum Beispiel, wenn man wieder laufen kann. Sonst mache ich nicht gern Läufe. Ich habe lieber den Ball am Fuß. Aber wenn man lange nicht laufen kann und dann wieder darf, dann ist es einfach klasse.

Man lernt, kleine Dinge zu schätzen.

Herrmann Oh ja. Allein wieder gegen den Ball zu treten, ist dann ein Traum. Wir haben den tollsten Job der Welt, und wenn man so ausgebremst wird, ist das brutal.

Ist positives Denken unabdingbar?

Herrmann Auf jeden Fall. Sicher fällt es gerade kurz nach der Verletzung schwer, positiv zu denken. Wenn man sich aber jeden Tag einen Kopf macht und fragt: warum ich, dann bringt das nichts.

Wie fühlt sich ein Comeback an?

Herrmann Es ist ein tolles Gefühl: wieder auf dem Platz stehen, wieder Fußball spielen, den anderen wieder helfen, es geschafft haben.

Das Gespräch führte Karsten Kellermann.

(kk)
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