Schweinsteiger und Großkreutz Westfälisch-bayerische Freundschaft

Düsseldorf/München · Bei der WM in Brasilien wohnten Bastian Schweinsteiger und Kevin Großkreutz in einer WG. Seither sind sie beste Kumpels.

Kevin Großkreutz (l.) und Bastian Schweinsteiger sind in Brasilien Freunde geworden.

Kevin Großkreutz (l.) und Bastian Schweinsteiger sind in Brasilien Freunde geworden.

Foto: ap, FO WMS

Bastian Schweinsteiger hat Urlaub. Trotzdem unterhält der Bayern-Star sein Publikum auch in den Ferien zwischen Weltmeisterschaft und Bundesliga. Allerdings unfreiwillig. Im Internet tauchte nämlich ein schlecht belichtetes Filmchen auf, das den Weltmeister beim offenkundig gut gelaunten Absingen von Schmähliedern auf den Meisterschafts-Konkurrenten Borussia Dortmund zeigt. Der Fußballer hat sich dafür entschuldigt, der misslungene Auftritt wurde ohne sein Wissen gefilmt und natürlich ohne sein Einverständnis veröffentlicht.

Dortmund hat die Entschuldigung angenommen. Und damit könnte das kleine Kapitel zu den Akten des Sommertheaters gelegt werden. Das muss aber nicht sein, denn es erzählt so ganz nebenbei noch die Geschichte einer ganz erstaunlichen Freundschaft. Schließlich war es namentlich Kevin Großkreutz, der Schweinsteigers Entschuldigung annahm. "Die Aktion war nicht so cool", schrieb der Dortmunder im sogenannten sozialen Netzwerk "Facebook", "aber ich verstehe deine Erklärung zu dem Thema. Jeder Mensch macht Fehler, damit muss das Thema durch sein. Ich werde niemals vergessen, was du alles für mich getan hast." Da entweicht den Dortmunder und Münchner Fans erst mal stoßweise die Atemluft.

Vor ihrem geistigen Auge haben sie schließlich Bilder von Kevin Großkreutz im verbalen Nahkampf mit Münchner Gegnern. Und sie können sich auch noch gut vorstellen, dass es im Binnenklima der Nationalmannschaft zwischen der Dortmunder und der Münchner Fraktion vor zwei Jahren während der Europameisterschaft größere atmosphärische Störungen gab.

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Wohngemeinschaften statt Hotelzimmer

Das wurde der Öffentlichkeit erst während der Weltmeisterschaft in Brasilien enthüllt. Dort aber war alles anders. Zwischen den beiden wichtigsten Abteilungen der Mannschaft, den Spielern aus München und Dortmund im Allgemeinen und zwischen Schweinsteiger und Großkreutz im Besonderen. Die große Harmonie begann mit der weisen Entscheidung der Teamleitung, die Spieler an der nordöstlichen Atlantikküste Brasiliens nicht in ein herkömmliches Hotel zu pferchen. Stattdessen bezog die Abordnung des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) das Campo Bahia, und in den Häusern auf dem weitläufigen Gelände des neuerbauten Luxusresorts wurden kleine Wohngemeinschaften eingerichtet.

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Die Schweinsteiger-Gruppe hatte eine ganz besondere Mischung. Hier wohnten nicht nur der Münchner Torwart Manuel Neuer, sondern eben auch Großkreutz, der Neu-Dortmunder Matthias Ginter und (für Dortmunder unvorstellbar) die Schalker Benedikt Höwedes und Julian Draxler. Zwischen im Bundesliga-Alltag herzlich verfeindeten Vertretern der Ruhrgebietsklubs wuchs im täglichen Kontakt so etwas wie ein Verständnis für die große gemeinsame Sache. Und zwischen Schweinsteiger und Großkreutz eine echte Freundschaft. "Wir sind Freunde geworden", bestätigt der Dortmunder dem "Kicker". Es habe sogar Geburtstagsgrüße aus München gegeben.

Bereits aus der Zeit im Campo Bahia ist Schweinsteigers Erstaunen überliefert, "was für ein netter Kerl der Kevin ist". Und weil sich Schweinsteiger sehr zu Recht schon zu den Zeiten des noch amtierenden Mannschaftsführers Philipp Lahm als heimlicher Kapitän fühlen durfte, nahm er sich des auf dem Platz so kämpferischen, außerhalb sehr schüchternen Kollegen an. Er tröstete Großkreutz, als dem klar wurde, dass er in Trainer Joachim Löws WM-Drehbuch sicher keine Hauptrolle einnehmen würde. Er half ihm bei der teaminternen Bewältigung seiner Vor-WM-Affären — dem angeblichen Döner-Wurf und dem öffentlichen Urinieren nach dem DFB-Pokalfinale. Und er bewegte Großkreutz zu der Einsicht, "dass ich der Mannschaft auch helfen kann, wenn ich nicht spiele". Letzten Endes ist Schweinsteiger mitverantwortlich dafür, dass sich Großkreutz auch ohne eine Einsatzminute im Turnier ganz zu Recht als Weltmeister fühlt. Dafür ist er so dankbar, dass er nun Schweinsteigers Fehltritt großmütig verzeiht.

Trotzdem wird er weder in den Spitzenspielen gegen die Bayern noch in den Derbys gegen seine Schalker WG-Kollegen nun zum verzärtelten Friedensbotschafter. "Ein Derby bleibt ein Derby", sagt Großkreutz, "wir geben uns vor dem Spiel die Hand. Danach ist es mit den Gemeinsamkeiten vorbei." Die Kumpels auf der Dortmunder Südtribüne werden erleichtert aufatmen. Es gibt auch noch den alten Kevin.

(RP)
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