SK Langenfeld Zu Gast bei Profikeglern

Langenfeld · Es gibt reichlich Klischees übers Kegeln. An der Spitze hat der Sport aber wenig mit Alkohol zu tun und viel mit Leistung, was RP-Mitarbeiterin Laura Harlos schmerzvoll erfahren musste.

 Neun Kegel, eine Kugel — das Prinzip ist einfach, die Praxis kompliziert.

Neun Kegel, eine Kugel — das Prinzip ist einfach, die Praxis kompliziert.

Foto: Hertgen Nico

Auf dem Schild über dem Bar-Tresen steht: "Gäste, die trinken um zu vergessen, werden gebeten sofort zu bezahlen." Ein leicht muffiger Gaststätten-Duft zieht durch die Manni Jung Sportkegelhalle. Die dunklen langen Holztische und tiefgrünen Sitzpolster verdüstern den Raum.

Ich ziehe eine kleine Jägermeisterflasche aus meiner Sporttasche und stelle sie auf den Tisch. Das gehöre beim Kegeln dazu, hatte ein Arbeitskollege aus der Redaktion gesagt. "War ja klar", sagt Manuela ter Haar. Die Teamsprecherin der Bundesligakeglerinnen der SK Langenfeld schüttelt den Kopf. "Mit Alkohol hat Sportkegeln auf Leistungsniveau nichts zu tun. Aber das wirst du gleich merken."

Die Langenfelderinnen schafften vergangene Saison den Aufstieg in die 1. Bundesliga. Ein- bis zweimal pro Woche trainieren ter Haar und ihr Team, Wettkämpfe finden am Wochenende statt. Teamkollegin Kathrin Schnepf springt mit angezogenen Beinen in die Luft und lässt ihre Arme kreisen. Besonders Oberschenkel und Wurfarm müssen warm sein. Nach ein paar Dehnübungen betreten wir die Kegelbahnen durch eine Glastür .

Im Wettkampf wird parallel auf vier Bahnen gespielt. Jeweils zwei Spielerinnen aus jedem Team treten in einem Block an. Insgesamt besteht jede Mannschaft aus sechs Keglerinnen.

Ich beginne auf Bahn drei und hebe eine dunkelgrüne Kugel aus dem Kasten. 2,3 Kilogramm wiegt eine Kegelkugel für Erwachsene. Ich blicke auf das andere Ende der Bahn. Wie Marionetten seilt die Maschine neun Kegel in Form einer Raute auf den Boden ab. "Für Rechtshänder gilt: kleiner Schritt mit links, mittlerer mit rechts, und dann wieder mit links der große Ausfallschritt", demonstriert Schnepf die Kegelbewegung trocken mit einem Handtuch. "Und nicht schmeißen. Die Kugel wird geschoben."

Links, rechts, links - und weg. Wie ein Pfeil saust die Kugel gerade auf den vordersten Kegel zu. Fünf fallen. Die Anzeige zeigt eine Wurfgeschwindigkeit von 17,9 km/h. Auf Bahn vier läuft Kathrin an. Links, rechts, links. Wumms. Acht Kegel. Geschwindigkeit: 30,2 km/h. "Versuch, dein Handgelenk gerade zu lassen und zwischen Vorderholz und Vorderdame zu treffen", rät mir die 37-Jährige.

Der König bildet in der Mitte das Zentrum aller neun Kegel. Vorder- und Hinterholz bezeichnen die zwei Kegel, die mit dem König auf einer vertikalen Linie stehen. Rechts und links daneben: jeweils eine Vorder- und Hinterdame. Die Außenpositionen besetzen die Bauern.

Meine nächste Kugel rollt in die rechte Gasse, trifft Vorderholz und Dame. Mit einem letzten Wanken fällt auch der rechte Bauer um. Alle neun weg. "Ein Blanker, super", ruft Schnepf. Voller Ehrgeiz schnappe ich mir die nächste Kugel und versuche mit noch mehr "Schmackes" zu werfen. Doch wieder drehe ich das Handgelenk ein. Mein erster Pudel bei Wurf drei. Wie viele Hundewürfe machen denn die Profis im Schnitt? "Keinen", antwortet Schnepf. "Wenn du viermal hintereinander acht triffst, ist das okay. Besser wären natürlich neun."

Nach Wurf Nummer fünf schmerzt mein Handgelenk. Eigentlich hab ich genug. Trainerin ter Haar grinst. "Wir machen heute das normale Programm. 120 Würfe, plus 20 zum Einwerfen." Im Wettkampf rotiert jede Spielerin auf den vier Bahnen, bis sie auf jeder 30 Würfe absolviert hat. Die ersten 15 gehen immer auf "die Vollen". Anschließend bleiben 15 weitere Würfe zum "Abräumen". Bleiben beispielsweise drei Kegel stehen, wird in Wurf 17 also auch nur auf drei gespielt - bis alle Kegel gefallen sind.

Die Bilanz nach 15 Würfen. Schnepf: 109 Holz. Ich: 43 Holz. Vielleicht läuft's beim Abräumen besser. Links, rechts, links - knapp am Pudel vorbei, schlägt die Kugel in die rechte Gasse ein. Wieder wackelt der rechte Bauer. Doch diesmal entscheidet er sich dafür, stehen zu bleiben. Für ein paar Sekunden verschwindet er mit den anderen Kegeln, alleine kehrt er auf die Bahn zurück. Ich zögere. "Versuch' möglichst links und tief aufzusetzen", sagt Schnepf.

Tief? Also die Kugel möglichst weit am Boden loslassen? "Tief bedeutet weit außen. Je höher ich aufsetzte, desto mittiger mein Wurf." Ich überlege. Mit der rechten Hand die Kugel weit links aufsetzen und dann so andrehen, dass sie nach rechts rollt. Unmöglich. "Und schau auf die Zeit", ermahnt mich ter Haar und blickt auf die Anzeigetafel. "Für deine 30 Würfe pro Bahn hast du nur zwölf Minuten Zeit."

Nach einer guten Stunde erreiche ich meine vierte und letzte Bahn. Wurf Nummer 91. Mein Gesicht glüht. Meine schweißnassen Handflächen umfassen die glatte Oberfläche der Kugel. Links, rechts - aus dem Ausfallschritt wird eine angedeutete Kniebeuge. Die Kugel kracht auf die Bahnoberfläche und kullert in die linke Gasse. Drei fallen um. "120 Würfe sind mit einem 5000-Meter-Lauf gleichzusetzen", sagt ter Haar um mich von meinem Frust abzulenken. "Dein Standbein wird bei jedem Wurf mit dem dreifachen Körpergewicht belastet."

Neben müder Beine und mangelnder Konzentration belastet mich meine maue Ausbeute. Knapp 400 Holz nach 120 Würfen. Für ihr Bundesligateam kann Manuela mich nicht gebrauchen. 800 Holz wären wünschenswert.

"Die meisten Leute erkennen den Kegelsport nicht als solchen an", sagt ter Haar. "Wenn ich erzähle, dass ich professionell kegle, kommt besonders von Männern meist ein süffisantes Lächeln."

Die Teamsprecherin beendet das Training mit dem Wunsch, dass ich mich am folgenden Tag bei ihr melde. Dass ich am Tag nach dem Kegeltraining die vier Stockwerke in meine Wohnung krieche, weil meine linke Gesäßhälfte und mein linker Oberschenkel nicht einsetzbar sind, sage ich ihr nicht. Auch nicht, dass mich eine Freundin auf dem Weg zur Bahn fragt: "Laura, hinkst du?" Nach drei Tagen schreibe ich: "Der Muskelkater hat sich endlich verabschiedet. Darauf einen Jägermeister."

(laha)
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