Film-KritikLiebe mich - wenn du dich traust: Spiel wird Ernst
Das französiche Kino steht nach dem Überraschungserfolg "Die fabelhafte Welt der Amélie" hoch im Kurs. Nun versucht der Filmemacher Yann Samuell auf dieser Welle mitzureiten und ebenfalls eine originelle Geschichte mit unverwechselbaren Charakteren zu erzählen. Das Ergebnis heißt in der deutschen Übersetzung "Liebe mich wenn du dich traust" und kommt am 12. August in die Kinos.Im Mittelpunkt der Handlung stehen Sophie und Julien. Als der Film beginnt, sind beide erst acht Jahre alt. Am Ende sind sie wohl über 80, leben in einem Altersheim und wollen noch immer das tun, wozu auch ihr langes Leben zu kurz war: heiraten. Warum aus dieser Eheschließung in all den Jahrzehnten zuvor nichts geworden ist und nichts werden konnte, erzählt Samuell, der auch das Drehbuch verfasst hat, in einem 90-minütigen Schnelldurchgang. Der Zuschauer wird dabei einigen Herausforderungen unterzogen, denn diese sehr spezielle Mixtur aus Liebeskomödie und Liebesdrama nimmt wenig Rücksicht auf normale Seh- und Erzählgewohnheiten. Julien stammt aus einer gutbürgerlichen Familie, Sophie ist das Kind armer polnischer Einwanderer aus der schäbigen Vorstadtsiedlung. Als "Polackin" beschimpft, hat sie einiges von den anderen Kindern zu ertragen, gewinnt aber die lebenslange Freundschaft Juliens, der ihr nach einer neuerlichen Demütigung Sophies seine kostbare Spieldose halb schenkt, halb verleiht. Immer wieder wird diese Spieldose im Laufe vieler Jahre zwischen den beiden hin- und herwandern. Nicht weniger Bedeutung hat das alte Chanson "La Vie en Rose", das den Weg des Paares bis ans Ende begleiten wird. Temporeiche Amour fouGuillaume Canet als Julien und die kecke Schönheit Marion Cotillard als Sophie sind Hauptdarsteller, denen man gerne beim "Kinderspiel", wie der Originaltitel passender lautet, zuschaut. Sehr französisch an diesem Film ist die geradezu extreme Liebeserklärung an die Liebe. Ob das wirklich dem Zeitgefühl der jungen Generation in Frankreich oder Europa entspricht, sei dahingestellt. Manches in diesem Film erinnert an Tom Tykwers "Lola rennt", den Samuell sicher gesehen hat, auch Francois Truffauts Klassiker "Jules und Jim" dürfte Pate gestanden haben. Das sind alles gute Vorbilder für einen letztlich überkonstruierten Film, mit dem die einen Zuschauer viel, die anderen aber wenig werden anfangen können. Der 39-jährige Samuell hat sich in "Liebe mich - wenn du dich traust" jedenfalls gleich bei seinem Kinodebüt viel zugetraut mit seiner "hysterischen amour fou". Seine nächste Arbeit darf der Filmemacher bereits in Hollywood machen, wo man auf das Talent schnell aufmerksam geworden ist. Ob Samuell dort bestehen wird, bleibt abzuwarten. Amerikanisches Tempo hat er jedenfalls schon unter Beweis gestellt. Ob er wirklich was zu erzählen hat, steht nach seinem Erstling noch keineswegs fest.