Düsseldorf Die Kunst der guten Rede

Düsseldorf · Ob Produktpräsentation oder Demonstration: Für gute Reden gelten dieselben Regeln. Das zeigt auch die US-Konferenz "TED".

Wer wichtig war im Rheinland, kam in den vergangenen Wochen auf 22 Neujahrsempfänge. Was nimmt er mit? Grußworte, Vorträge, Häppchen - und die Erkenntnis, wie wenig gute Redner es gibt. Das muss nicht sein, wie man von den TED-Talks lernen kann. Seit 1990 findet die Konferenz "Technology, Entertainment, Design" (TED) in Kalifornien statt, auf der sich Wissenschaftler, Politiker, Manager, Künstler austauschen. Die besten "TED Talks" werden im Netz veröffentlicht. Von ihnen kann man sich viel abschauen, wie das Buch von TED-Macher Chris Anderson zeigt.

Reden Sie nicht länger als 18 Minuten! Eine der besten Reden der Geschichte dauerte 17 Minuten und 40 Sekunden. So lange sprach 1963 Martin Luther King beim "Marsch für Freiheit", Höhepunkt im Kampf der Schwarzen für Gleichberechtigung. Länger als 18 Minuten darf auch ein Vortrag bei der TED-Konferenz nicht dauern. 18 Minuten sind genug, um eine Idee auszubreiten, ohne das Publikum zu langweilen. Zugleich wird der Redner gezwungen, seine Gedanken zu sortieren. "Wenn eine Rede zehn Minuten lang sein soll, brauche ich zwei Wochen für die Vorbereitung. Wenn ich so lange reden kann wie ich will, kann ich sofort anfangen", so der frühere US-Präsident Wilson.

Haben Sie eine Botschaft! Spricht der Redner nur, weil einer reden muss? Oder hat er etwas zu sagen? Anderson empfiehlt, das Publikum ernst zu nehmen. Das Auditorium schenkt dem Redner wertvolle Lebenszeit, also muss er ihm auch etwas Originelles bieten und nicht nur Gedanken anderer wiederkauen. Die Kernbotschaft muss sich zugleich in einem Satz sagen lassen. "Versuchen Sie, Ihren roten Faden in weniger als fünfzehn Wörter zusammenzufassen", so Anderson.

Lieber Visionen als dröge Fakten! Das zeigt besonders die King-Rede. Sein berühmter Satz sagte alles: "Ich habe einen Traum, dass meine vier kleinen Kinder eines Tages in einer Nation leben werden, in der man sie nicht nach ihrer Hautfarbe, sondern nach ihrem Charakter beurteilt." Beim Neujahrsempfang der Bundesbank wäre ein solcher Satz sicher unpassend, aber auch dort geht mehr, als Wachstumsraten vorzulesen.

Kein Power Point! Es spricht sich herum, dass Power-Point-Vorträge eintönig sind. 60 eng beschriebene Folien langweilen das Publikum, zumal es gerne vor-liest - und dem Redner nicht mehr zuhört. Sinnvoll können gute Bilder (ganzseitig) oder Videos (kürzer als 30 Sekunden) sein. Für gefährlich hält Anderson Tablets und Teleprompter, von denen etwa Peter Terium bei der RWE-Pressekonferenz ablas. Der Teleprompter vermittele, dass der Redner nur so tue, als ob er das Publikum ansehe. Besser seien altmodische Karteikarten.

Anfang und Ende entscheiden! Die ersten Minuten entscheiden, ob der Redner das Publikum gewinnt. Eine schockierende These, authentische Geschichte oder spannende Frage können helfen. Star-Koch Jamie Oliver begann einen TED-Talk entsprechend so: "In den 18 Minuten, die dieser Vortrag dauert, werden vier Amerikaner sterben und zwar aufgrund ihres Essens." Das Ende ist wichtig, damit der Vortrag in den Köpfen bleibt. Schlecht sind Sätze wie "Mein Zeit ist um, ich komme zum Ende" (Hat der Redner seine Zeit schlecht eingeteilt?) oder "Es bleibt abzuwarten, was die Zukunft bringt" (Eine Phrase, war die ganze Rede unoriginell?) Besser ist es, einen Appell oder ein Versprechen mitzugeben. So wie Elon Musk, der Space X führt. Als auch der dritte Raketenstart scheiterte, war das Weltraumunternehmen eigentlich am Ende, doch Musk motivierte die Mitarbeiter, indem er versprach: "Ich für meinen Teil werde niemals aufgeben, niemals."

Gegen die Aufregung Ein bisschen Aufregung schafft Konzentration. Zu viel kann alles verderben. Anderson rät praktisch: So anziehen, dass man sich sicher fühlt (mindestens so elegant wie das Publikum). Wer mit Headset spricht, braucht einen festen Bund (zur Befestigung der Batterie). Frauen sollten lange Ohrringen vermeiden (sonst klimpert es). Gleich zu Beginn "Freunde" im Publikum suchen, also sympathische Personen im Publikum, deren Blickkontakt man stets sucht.

Freie Reden trainieren! Ob man ein Manuskript vorträgt oder eine Rede frei hält, hängt vom Naturell ab. Aber auch frei heißt nicht unvorbereitet. Gute freie Reden waren mal ausgearbeitet (das zwingt zur Sortierung der Gedanken), gut geprobt und dann frei gehalten. Auch hinter den vermeintlich lässigen Präsentationen von Apple-Chef Steve Jobs steckte harte Arbeit. Er habe diese stundenlang geprobt, so Anderson.

Buch Chris Anderson: "TED Talks - Die Kunst der öffentliche Rede", Fischer 2017, 288 Seiten, 16,99 Euro.

(anh)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort