Verhandlungen im Honorar-Streit abgebrochen Basis soll über Praxisschließungen abstimmen

Berlin · Aus Protest gegen die aus ihrer Sicht viel zu geringen Honorarsteigerungen haben die Spitzenvertreter der Ärzte am Montag weitere Verhandlungen mit den Krankenkassen platzen lassen. Mehrere Ärzteverbände wollen die Basis jetzt über mögliche Praxisschließungen abstimmen lassen.

Diese Rechte haben Patienten ab 2013
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Foto: dpa, Friso Gentsch

Demnach sind Urabstimmungen geplant, wie der Vorsitzende des Hartmannbundes, Klaus Reinhardt, am Montag nach einer Konferenz der Verbände sagte. Ende September könne es zu den Protesten kommen. Der stellvertretende Chef der Unionsfraktion im Bundestag, Johannes Singhammer (CSU), hat aber bereits Krankenkassen und Ärzte aufgefordert, an den Verhandlungstisch zurückzukehren.

Der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Köhler, habe zunächst ein Gespräch mit dem Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung auf Vorstandsebene gefordert, sagte ein Sprecher am Montag in Berlin. Dabei solle über die Grundlagen der gemeinsamen Selbstverwaltung gesprochen werden, denn das Vertrauensverhältnis zwischen beiden Seiten habe in den vergangenen Wochen durch das Verhalten der Kassen erheblich Schaden genommen. Die Beziehung sei zerrüttet.

Schon vor dem vorläufigen Abbruch der Gespräche hatte die Ärzteschaft massive Proteste angekündigt. Ob es nun zu Praxisschließungen kommt, war vorerst unklar. Erst Mitte September, also in knapp zwei Wochen, soll nach einem klärenden informellen Gespräch offiziell weiterverhandelt werden.

Der stellvertretende Chef der Unionsfraktion im Bundestag, Johannes Singhammer (CSU), hat Krankenkassen und Ärzte aufgefordert, an den Verhandlungstisch zurückzukehren. "Ich rate dringend dazu, wieder miteinander zu sprechen", sagte Singhammer unserer Redaktion. "Ärzte und Kassen müssen zu einem Ergebnis kommen, bei dem die Ärzte nicht einfach überwältigt werden. Es muss eine Übereinstimmung geben", betonte Singhammer. Die Politik mische sich grundsätzlich nicht in die Honorarverhandlungen ein, wenn es aber darum gehe, die Versorgung von Patienten auch in ländlichen Räumen für Ärzte weiter attraktiv zu halten, dann sei auch die Politik gefragt.

Weiteres Vorgehen wird am Nachmittag abgesprochen

"Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sind die Verhandlungen geplatzt", erläuterte Köhler allerdings. Der Vize-Chef des Kassen-Verbands, Johann-Magnus von Stackelberg, sagte, sein Verband nehme die Einladung zum Gespräch an. Zum Abbruch der Verhandlungen sagte er: "Das ist unüblich, aber ich werte das auch als ein gutes Zeichen, dass man an einer Lösung interessiert ist."

Wie die einzelnen Ärzteverbände reagieren, die Proteste angekündigt hatten, war zunächst unklar. Wirksame Beschlüsse zum Honorar liegen vorerst nicht vor. Köhler sagte: "Wir wollen versuchen, Praxisschließungen zu verhindern." Die Vertreter der einzelnen Ärzteverbände wollten am Montagnachmittag das weitere Vorgehen in einer Telefonschaltkonferenz abstimmen, wie der Sprecher des NAV-Virchow-Bunds, Klaus Greppmeir, der dpa sagte.

Eigentlich sollte das Schlichtergremium von Ärzten und Kassen - der Erweiterte Bewertungsausschuss - unter Vorsitz des unabhängigen Gesundheitsökonom Jürgen Wasem tagen. Wasem sagte der Deutschen Presse-Agentur dpa, er lade nun für den 15. September zur nächsten Ausschusssitzung ein. "Ich bin dazu verpflichtet." Auch wenn die Ärzteseite hier nicht kommen sollte, kann es gemäß den Statuten des Gremiums einen Beschluss geben.

Bisheriger Verhandlungsstand im Bewertungsausschuss ist eine Erhöhung des Honorars für die rund 150.000 niedergelassenen Ärzte und Psychotherapeuten um 0,9 Prozent oder 270 Millionen Euro. Dazu wurde die maßgebliche Rechengröße, der Orientierungswert, leicht erhöht. Ausschlag hatte Wasems Stimme gegen das Votum der Ärzte gegeben.

Gegen diesen Beschluss wollte die KBV an diesem Montag Klage beim Landessozialgericht Berlin-Brandenburg einreichen. "Die Klage hat aufschiebende Wirkung", erläuterte Köhler.

Es stehen aber noch Verhandlungen und Beschlüsse über die erwartete Krankheitsentwicklung und die Auswirkungen dieser sogenannten Morbiditätsrate aufs Honorar aus. Auch hier geht es um hunderte Millionen Euro. Der Bewertungsausschuss sollte eine Empfehlung für weitere Verhandlungen in den Ländern geben.

Unmittelbar vor Sitzungsbeginn hatte Stackelberg der dpa gesagt, er rechne mit Ergebnissen. "Die Frage des Orientierungswerts steht nicht mehr an", machte er aber zugleich deutlich. Ärzteverbände hatten Nachbesserungen an diesem Montag zur Bedingung dafür gemacht, von den angedrohten Protesten abzulassen.

(dpa)
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