Claus Weselsky "Ohne Fortschritte gibt es Bahn-Streiks"

Der Chef der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer spricht über drohende Arbeitskämpfe, seine Kompromissbereitschaft und die Chancen für eine Umbenennung seiner Organisation.

Düsseldorf Im vergangenen Herbst überzog Claus Weselsky, Chef der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL), die Republik mit Bahn-Streiks. Heute verhandelt er wieder mit der Bahn.

Sie haben sich auf mehrere Verhandlungen mit der Bahn verständigt. Klingt nach einer Kehrtwende. Wieso plötzlich so zahm?

Weselsky Die Kehrtwende hat die Bahn vollzogen. Sie hat uns nicht nur die Einmalzahlung von 510 Euro für 2014 gewährt, sondern auch schriftlich zugesagt, dass wir über all unsere Mitglieder sprechen - nicht nur über die Lokführer. Wenn sie sich daran hält, sind wir in echten inhaltlichen Verhandlungen. Dann sind wir auch zu Kompromissen bereit. Der Bahn muss aber auch klar sein: Die GDL ist nicht handzahm.

Wann werden Sie sich in "Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer, Disponenten und Zugbegleiter" umbenennen?

Weselsky (lacht) Gar nicht. Eine Marke wie die GDL werden wir auf keinen Fall aufgeben. Noch nie hat die Umbenennung einer Gewerkschaft dazu geführt, dass sie besser oder stärker geworden ist.

Bahnchef Grube hat jüngst von der GDL mehr Verhältnismäßigkeit gefordert und auf das Forderungspaket von mehr als zehn Prozent verwiesen. Klingt nach großen Differenzen.

Weselsky Bisher hat die Bahn mit ihrer Verweigerungshaltung nur unnötig Streiks vom Zaun gebrochen. Wenn Herr Doktor Grube jetzt darüber jammert, dass die Streiks den Konzern 150 Millionen Euro gekostet haben, muss man ihn fragen: Wieso hat er sie dann überhaupt erst provoziert? Hätte er früher mit uns über all unsere Mitglieder verhandelt, hätten wir nicht gestreikt. Und zum Thema Verhältnismäßigkeit: Die Bahn hat ja gerichtlich attestiert bekommen, dass unsere Streiks verhältnismäßig waren. Wenn Herr Grube das nicht einsieht, kann ich ihm das gerne noch mal darlegen.

Was muss von Arbeitgeberseite bei den Gesprächen kommen?

Weselsky Wir müssen klar über die Inhalte reden - also über höhere Entgelte, aber auch über eine deutliche Verbesserung bei den Arbeitszeiten und den Schichtdiensten. Außerdem muss klar sein, dass der Flächentarifvertrag nicht angerührt, sondern vielmehr ausgebaut wird.

Sollten die Verhandlungen nicht wunschgemäß verlaufen, wie schnell wären Sie wieder streikbereit?

Weselsky Das entscheiden die Gespräche. Wenn wir beide Themen nicht bewältigen, macht es keinen Sinn mehr weiterzuverhandeln. Dann kann es ganz schnell gehen.

Die EVG droht derzeit mit Warnstreiks. Klingt so gar nicht nach "Hausgewerkschaft der Bahn".

Weselsky Verbales Trommeln ist das eine, echte Taten sind das andere.

Sind Sie insgeheim schadenfroh, dass die EVG für 2014 noch keinen Abschluss hinbekommen hat?

Weselsky Nein. Ich empfinde es vielmehr als bedauerlich, dass die EVG mit ihrer reinen Lohnforderung kein Bewusstsein für die wahren Probleme der Bahnmitarbeiter hat. Von der EVG kommt nichts zu den Themen Arbeitszeit, Arbeitsbedingungen, Schichtgestaltung. Dabei sind die Kollegen ausgelutscht. Die Beschäftigten werden vom Unternehmen über die Maßen und unanständig in Anspruch genommen. Das muss sich ändern.

Während der Streiks 2014 hat die "Bild" Ihre Büronummer veröffentlicht, "Focus.de" zeigte ein Foto Ihrer Wohnung. Wie nah ging Ihnen das?

Weselsky Ich habe gelernt, dass es zumindest einige Medienvertreter gibt, denen Grenzüberschreitungen leichtfallen. Ich habe diese harte Situation aber überstanden. Die wichtigste Erkenntnis für mich war, dass die Mitglieder standhaft geblieben sind. Die haben mir - trotz aller Versuche der Bahn, meinen Ruf zu schädigen - den Rücken freigehalten. Das hat mir sehr gut getan.

Hat jemand aus Ihrem persönlichen Umfeld Sie bekniet, es mit den Streiks gut sein zu lassen? Die Stimmung war doch recht aggressiv.

Weselsky Nein, das habe ich nicht so empfunden. Ich habe mich frei durch die Republik bewegt. Dabei habe ich überwiegend Verständnis für unsere Forderungen verspürt - auch von Bahncard-100-Nutzern der Ersten Klasse, die ganz klar gesagt haben: "Haltet schön durch!" Das waren am Ende so viele, dass ich mir gesagt habe: Wir machen weiter.

Die Zahl der Angriffe auf das Bahnpersonal ist 2014 deutlich gestiegen. Streiks dürften nicht gerade dazu führen, dass pfleglicher mit den Beschäftigten umgegangen wird.

Weselsky Bei den Streiks haben auch diejenigen mitgemacht, die im direkten Kontakt mit Kunden stehen und für diese oft ein Prellbock sind. Davor habe ich großen Respekt. Zumal auch von Konzernseite immer wieder versucht wurde, Druck auf die Beschäftigten zu machen. Dass sich am Ende 9000 Beschäftigte am Arbeitskampf beteiligt haben, zeigt, wie groß der Rückhalt war. Dass zeigt im Übrigen auch, dass die Berichte über den "Egomanen Weselsky", der nur seinen Kopf durchsetzen will, oder über die riesige Oppositionsbewegung innerhalb der GDL nichts als heiße Luft waren.

Befeuert wurden solche Einschätzungen aber auch durch Ihren Vorgänger Manfred Schell. Wie schädlich waren dessen verbale Angriffe?

Weselsky Wenn jemand nicht aufhören kann, ist das die eine Sache. Wenn aber jemand der Gewerkschaft schadet, weil er mit meiner Person nicht klarkommt, dann ist das nicht hinnehmbar. Klar ist: Manfred Schell äußert lediglich eine Einzelmeinung, er führt keine Opposition in der GDL an.

MAXIMILIAN PLÜCK FÜHRTE DAS INTERVIEW.

(maxi)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort