Reisebranche Tui wird wieder ein reiner Touristik-Konzern

Hannover · Durch eine Fusion mit der chilenischen CSAV steigt die Traditionsreederei Hapag-Lloyd in die Champions League auf. Europas größter Touristikkonzern nutzt die seit Jahren erhoffte Chance, aus dem Geschäft auszusteigen.

 Das Schiff der Reederei Hapag-Lloyd "Hamburg Express" macht in Hamburg am Container Terminal Altenwerder (CTA) fest.

Das Schiff der Reederei Hapag-Lloyd "Hamburg Express" macht in Hamburg am Container Terminal Altenwerder (CTA) fest.

Foto: dpa, awa axs bra

200 Schiffe und neun Milliarden Euro Jahresumsatz: Durch die Fusion mit dem Containergeschäft der chilenischen CSAV steigt Deutschlands größte Reederei Hapag-Lloyd zur weltweiten Nummer vier auf. Bei der Vertragsunterzeichnung schlugen die neuen Partner in dieser Woche aber nicht nur ein neues Kapitel in der internationalen Schifffahrtsgeschichte auf.

Über Verwicklungen, die ihren Ursprung noch in der alten Deutschland AG haben, profitiert von dem Deal auch Europas größter Touristikkonzern. Und so feierte die Börse am Donnerstag mit einem spontanen Kursplus von fast sechs Prozent wieder einmal Fritz Joussen. Der ehemalige Deutschland-Chef von Vodafone hat die Tui-Führung vor gut einem Jahr übernommen und saniert den kranken Riesen in spektakulärem Tempo. Mit der Hapag-Fusion ist er auf bestem Weg, sein Meisterstück abzuliefern: Die Trennung von der Container-Schifffahrt, an der die Tui sich seit sechs Jahren vergeblich abarbeitet.

Ende der 1990er Jahre, als Mischkonzerne noch groß in Mode waren, kaufte der Tui-Vorläufer Preussag sich bei der Hamburger Reederei ein. Das Frachtgeschäft sollte die schwankenden Erträge im Tourismusgeschäft stabilisieren. Gut zehn Jahre später - inzwischen waren spezialisierte Konzerne in Mode - wollte die Tui die Containerschifffahrt wieder loswerden. Weil der Name Hapag-Lloyd aber inzwischen mehr glänzte als die Zahlen der Rederei, blieb Joussens Vorgänger Michael Frenzel auf der Beteiligung sitzen.

Mit verheerenden Folgen für die Tui-Bilanz, denn die weltweiten Überkapazitäten drückten die Frachtraten immer tiefer in den Keller. Die Reeder suchen ihr Heil in Allianzen: Große Einheiten können in noch größere Schiffe investieren und mit noch weniger Verwaltung noch mehr Verkehre bündeln. Im Sommer starten die Branchenriesen Maersk (Dänemark), MSC (Schweiz) und CMA (Frankreich) eine neue Kooperation, die dann ein Drittel des Weltmarktes kontrolliert. Sie werden den Kostendruck auf die Branche nochmals erhöhen. Mithalten können dann nur noch die ganz Großen - Hapag-Lloyd und CSAV haben mit ihrer Fusion den Anschluss an diese Champions League geschafft. Hamburg soll Hauptsitz bleiben.

Ihren Etappenerfolg nutzen die beiden auch gleich als Sprungbrett für einen Börsengang: Wie Joussen in einem internen Schreiben an sein Management ankündigte, wird das neue Unternehmen noch im kommenden Jahr Aktien ausgeben - was der gebürtige Duisburger offenbar für den langersehnten Ausstieg nutzen will. "Wir kommen dem endgültigen Rückzug aus der Containerschifffahrt näher", kündigt der Tui-Chef seinen Vertrauten an.

Schon im Zuge der Verschmelzung mit den Chilenen verringert sich der Tui-Anteil an Hapag von derzeit 22 Prozent auf zunächst 15 Prozent. Nach einer bereits geplanten Kapitalerhöhung sinkt er weiter auf 13,9. Eine Größe, die sich nach dem erfolgten Börsengang im kommenden Jahr kursschonend losschlagen ließe - sei es auf einen Schlag an einen strategischen Investor oder in Tranchen über das Parkett.

Als Joussen vor gut einem Jahr das Ruder bei Tui übernahm, war der Konzern zwei Milliarden Euro wert. Inzwischen hat er den Unternehmenswert um eine satte Milliarde gesteigert. Schon im Dezember präsentierte Joussen schwarze Zahlen, obwohl die meisten Analysten nach Jahren der Durststrecke erst einmal mit neuen Verlusten gerechnet hatten. Erstmals seit sechs Jahren bekommen die Aktionäre auch wieder eine Dividende. Joussen krempelt den Konzern gerade komplett um und will unter anderem die 200 Touristik-Marken unter dem Dach der Tui stark reduzieren. Zuletzt stellte er sogar die bekannten Robinson-Clubs infrage.

(RP)
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