Leichlingen "Die Opfer sind oft traumatisiert"

Leichlingen · Acht Monate Bewährungsstrafe für den 23-jährigen Leichlinger Rathaus-Schützen (wir berichteten) – dieses Urteil des Amtsgerichts Leverkusen ist in vielen Kommentaren unserer Leser gestern mit Unverständnis aufgenommen worden. "Man sollte die Richter gleich mit verklagen", forderten mehrere. Und einer fügte hinzu: "Wer denkt an die Opfer?"

Acht Monate Bewährungsstrafe für den 23-jährigen Leichlinger Rathaus-Schützen (wir berichteten) — dieses Urteil des Amtsgerichts Leverkusen ist in vielen Kommentaren unserer Leser gestern mit Unverständnis aufgenommen worden. "Man sollte die Richter gleich mit verklagen", forderten mehrere. Und einer fügte hinzu: "Wer denkt an die Opfer?"

Gundhild Hebborn ist Leiterin des Kriminalkommissariates Opferschutz bei der Kreispolizei in Bergisch Gladbach. Im Interview mit unserer Zeitung warnt sie vor allzu schnellen Schlüssen.

Frau Hebborn, das vermeintlich milde Urteil gegen den Leichlinger, der 2010 in Rathausnähe mit einem Luftgewehr auf zwei Passanten geschossen hat, sorgt für Diskussionen, bei manchen Leuten auch für Unmut. Zurecht? Immerhin hat eines der Opfer angegeben, bis heute unter den Folgen der Tat zu leiden.

Hebborn So etwas passiert leider sehr oft. Und ich kann die Fassungslosigkeit der Leute auch durchaus nachvollziehen. Aber man macht einen Fehler, wenn man vom Richter erwartet, mit seinem Urteil das Opfer zufriedenstellen zu können. Wir haben ja kein Rache-Strafrecht in Deutschland. Und das Ziel eines Richters kann es auch nicht sein, einen jungen Menschen unbedingt ins Gefängnis zu bringen. Er muss den Tatvorwurf sachlich prüfen und dann ein abgewogenes Urteil treffen, das strafverschärfende Gründe ebenso berücksichtigt, wie strafmildernde, etwa das Alter oder die Vorgeschichte des Täters.

Die junge Frau, die damals einen Schuss in die Schulter abbekam, hat vor Gericht erklärt, sie habe noch heute Angst, alleine vor die Tür zu gehen.

Hebborn Das geht vielen so, die gewissermaßen aus heiterem Himmel Opfer eines Angriffs werden. Und dabei spielt es auch nicht zwangsläufig eine Rolle, ob und wie schwer man verletzt wird. Keiner, der über die Straße geht, kann damit rechnen, dass er plötzlich einen Schlag oder gar Schuss abbekommt. Wenn es doch passiert, kann das ein Trauma auslösen.

Was können Sie Betroffenen in so einem Fall raten?

Hebborn Man muss natürlich jeden Fall einzeln betrachten. Jeder Mensch reagiert anders. Was bei einer Person zu einem Schrecken führt, kann bei einer anderen Person ein Trauma auslösen. Man muss also immer individuell das erforderliche Hilfepaket schnüren. Ein traumatisierter Mensch sollte jedoch professionelle Hilfe in Anspruch nehmen.

Hilfe, die Sie vermitteln?

Hebborn Das haben wir tatsächlich schon oft getan, sei es an Beratungsstellen oder Traumaambulanzen. Wir achten vor allem darauf, dass die Strukturen stimmen. Das bedeutet: Wir sehen uns auch als ein Teil in einem Netz von Hilfeangeboten verschiedenster Stellen, das die Opfer auffängt. Als polizeiliche Beratungsstelle informieren wir über die Abläufe, können Phänomene erklären, Hilfen vermitteln. Problematisch kann der Auftrag werden, wenn der Bürger sich erstmal klug machen möchte und zum Beispiel die Abläufe eines Verfahrens erfragt. Sollten wir in einem solchen Beratungsgespräch von Straftaten hören, müssen wir das Ermittlungsverfahren einleiten, so wie es Paragraph 168 der Strafprozessordnung verlangt.

Was sind die häufigsten Gründe dafür, dass Leute sich an Sie wenden?

Hebborn Ganz klar häusliche Gewalt. Aber auch viele Frauen kommen zu uns, die nach einer Trennung Stalking-Opfer werden. Kommentar

(RP)
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