Möglichkeiten der Gentechnik Briten erlauben drei Elternteile

London · Die britische Regierung will künstliche Befruchtungen mit Genen von drei Elternteilen möglich machen. Damit soll Menschen mit unheilbaren Krankheiten ermöglicht werden, gesunde Kinder zu bekommen. Gegner kritisieren die Technik als unnötig.

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Foto: dpa, Jan-Peter Kasper

So wie Sharon Bernardi soll es anderen britischen Müttern in Zukunft nicht ergehen. Sieben Mal brachte die heute 47-Jährige aus Sunderland nach problemlosen Schwangerschaften und Geburten ihre Kinder zur Welt, nicht ahnend, dass sie einen schweren Gendefekt tragen würden. Sechs von Sharons Kindern überlebten nicht das Baby-Alter, ihr ältester Sohn Edward starb 2011 mit 21 Jahren. Die Britin weiß heute, dass die winzigen "Akkus" in ihren Zellen nicht richtig funktionieren. Jedes Mal, wenn sie ihre defekten Mitochondrien an die Kinder weitergab, wurden sie mit tödlichen Organschäden geboren.

Jetzt haben jedoch die englischen Mediziner eine neue Methode entwickelt, um verzweifelten Müttern wie Sharon helfen zu können. Sie hört sich an wie ein Mix aus Horror und Science Fiction: In seltenen Fällen sollen kleine Briten zukünftig drei Elternteile bekommen.

Die oberste Regierungsberaterin für Gesundheitsfragen, Sally Davies, findet diese Vorstellung gar nicht absurd. Natürlich sei dies ein "sensibles Thema", doch es wäre sehr wichtig, das Verfahren so schnell wie möglich einzuführen, um Menschenleben zu retten, sagte die Medizinerin in einem BBC-Interview. "Wissenschafter haben bahnbrechende neue Verfahren entwickelt, die verhindern können, dass solche Krankheiten weitervererbt werden", sagte Davies. "Mitochondriale Erkrankungen können einen verheerenden Effekt auf Menschen haben, die sie erben."

Davies und das Gesundheitsministerium in London gaben gestern grünes Licht für eine doppelte Zellmanipulation, bei der zunächst zwei Eizellen (der vom Mitochondrien-Defekt betroffenen Mutter und einer Spenderin) im Labor mit dem Sperma eines Mannes befruchtet werden. Danach wird das Genmaterial der Eltern in den Embryo der Spenderin mit den gesunden Mitochondrien eingepflanzt, aus dem zuvor dieser Teil der DNA entfernt wurde.

Als Konsequenz soll das Kind funktionsfähige "Akkus" erhalten und nur einen sehr geringen DNA-Anteil der Spenderin, den die britischen Forscher mit 0,2 Prozent der gesamten Erbinformation beziffern. Das ist dennoch den Kritikern des Verfahrens zu viel, die vor der Entstehung eines Marktes für "designte Babys" warnen. Sie argumentieren, dass das geplante Vorgehen unethisch sei. "Diese Techniken sind unnötig und unsicher", sagte der Direktor von der Humangenetik-Organisation, David King, der BBC.

Davies hält dagegen, dass die Mehrzahl der Briten einer Umfrage zufolge das neue Verfahren befürworten würde. Außerdem würde der Embryo nur die Eigenschaften seiner beiden Eltern erhalten, weil sie in der DNA des Zellkerns gespeichert seien, nicht aber in den Mitochondrien. Charakter und viele andere Eigenschaften eines Kindes sollen nach Darstellung des Gesundheitsministeriums durch das Zellmaterial der Spenderin nicht beeinflusst werden.

Nach BBC-Angaben kommt jährlich im Schnitt eines von 6500 Babys in Großbritannien mit einem Mitochondrien-Defekt zur Welt. Die Regierung geht davon aus, dass sie später jedes Jahr durch den Eingriff etwa zehn Paaren helfen wird, gesunde Kinder haben zu können. Der Nachwuchs der "Drei-Eltern-Babys" soll nach derzeitigen Plänen lebenslang von Medizinern überwacht werden. Die Identität der Spenderinnen soll geheim bleiben. Die liberal-konservative Koalition in London will noch in diesem Jahr einen Gesetzes-Entwurf im Parlament diskutieren lassen. Ab etwa 2015 könnte das neue Verfahren kostenfrei in den staatlichen Kliniken angeboten werden. Neben den humanitären gibt es möglicherweise auch wirtschaftliche Gründe für das bahnbrechende, weltweit einzigartige Prestigeprojekt.

Nach Medienberichten will die britische Regierung von Premierminister David Cameron die "Pionierrolle" des Königreichs auf dem Gebiet der Reproduktionsmedizin aufrechterhalten. Britische Forscher hatten 1953 die DNA entdeckt und 1978 die Geburt des ersten Retortenbabys ermöglicht.

(RP)
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