Jugendliche und Alkohol Studie stellt Alkoholprävention in Frage

Düsseldorf · Jährlich werden in Deutschland mindestens 36 Millionen Euro für Alkoholpräventionsmaßnahmen bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen ausgegeben. Allerdings mit fragwürdigem Ergebnis: Die meisten Alkoholpräventionsmaßnahmen werden nicht wissenschaftlich überprüft. Es ist unklar, ob sie überhaupt etwas bringen.

Es ist eine Studie des Deutschen Instituts für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI), die bislang wenig beachtet belegt, wie Geld zwar in Präventionsmaßnahmen fließt, dort aber nicht viel bewirkt.

Über 200 Projekte aus dem Bereich der Alkoholprävention untersuchte das DIMDI, doch nur bei zweien konnte es eine Wirksamkeit belegen. Dabei werden jährlich mindestens 36 Millionen Euro für Alkoholpräventionsmaßnahmen bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen ausgegeben, so geht es aus der DIMDI-Studie hervor.

Keiner überprüft Wirksamkeit

Getan wird zwar einiges, bewirkt jedoch nur wenig. Zwar wird bei 98 Projektbeschreibungen angegeben, dass sie messbar seien, bei genauerem Hinsehen beschränkt sich die Messbarkeit allerdings in 80 Prozent der Fälle auf das Erfassen der Teilnehmerzahlen. Nur bei 17 Projekten war das anders.

Die Mehrzahl der gemeldeten Alkoholpräventionsprojekte wird jedoch erst gar nicht auf ihre Wirksamkeit hin untersucht. Die Wirtschaftlichkeit des Einsatzes der genannten Millionenbeträge wird schlicht und ergreifend nicht auf ihre Wirkung hin überprüft und ebenso wenig das Kosten-Nutzenverhältnis.

Was die Autoren der Studie ebenfalls betonen: "Bund, Länder, Kommunen sowie Verbände und Bündnisse fördern in Deutschland Alkoholpräventionsmaßnahmen bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Ein Nachweis der Kosteneffektivität für die Präventionsmaßnahmen fehlt."

Diese Zahlen sollten aus zweierlei Gründen alarmieren. Einerseits verpuffen öffentliche Gelder wirkungslos in einem Bereich, der junge Menschen und ihre Gesundheit schützen soll. Gleichzeitig macht sich Komasaufen trotz einiger positiver Bewegungen als flächendeckendes Problem in Deutschland breit. Im internationalen Vergleich wird in Europa weltweit der meiste Alkohol getrunken. Die Deutschen konsumieren pro Kopf mehr als zehn Liter Reinalkohol im Jahr. 200 Menschen sterben am Tag in Deutschland nach Angaben der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung an den gesundheitlichen Folgen ihres Alkoholkonsums.

An vielen Orten in NRW steigt Missbrauch

Es gehört zum Freizeitverhalten bei Kindern und Jugendlichen zu trinken. Insgesamt wurden nach Daten der DAK im Jahr 2010 knapp 26.000 Kinder und Jugendliche mit einer Alkoholvergiftung ins Krankenhaus eingeliefert. Das Statistische Bundesamt spricht von 45.086 Patienten zwischen 15 und 24 Jahren, die berauscht ins Krankenhaus gebracht wurden.

"Zwar sind die Krankenhauseinlieferungen bei den 10- bis 15-Jährigen bezogen auf 100.000 Personen dieser Altersgruppe, um 5,5 Prozent zurückgegangen", erklärt die Bundesdrogenbeauftragte Mechthild Dyckmanns anlässlich einer Initiative der DAK gegen Komasaufen. Bei den jungen Erwachsenen zwischen 15 und 20 Jahren ist die Zahl jedoch um rund drei Prozent gestiegen. Besonders in Krefeld stieg Alkoholmissbrauch bei Jugendlichen um 24 Prozent an, in Solingen um 31 Prozent, in Viersen sogar um 90 Prozent, so offenbarte Anfang 2012 eine Studie der Krankenkasse DAK.

Im Durchschnitt sind Jugendliche nach den Erkenntnissen des Autorenteams um den Jugendarbeiter Bernd Siggelkow erst 13 Jahre alt, wenn sie Alkohol trinken. Sie nehmen dabei Gefahren in Kauf, derer sie sich häufig nicht bewusst sind: Auf den jungen Organismus haben bereits geringe Mengen Alkohol gesundheitsschädliche Folgen. Als gesundheitlich riskant gelten tägliche Mengen von 12 Gramm reinem Alkohol bei Frauen und 24 Gramm bei Männern. Ein Glas Wein enthält zum Beispiel im Schnitt 8,8 Gramm reinen Alkohol, eine Flasche Alcopop sogar 12,3 Gramm.

Wachstums- und Hirnschäden durch Alkohol

Alkohol ist ein Zellgift, das unter anderem das Wachstum hemmt und die Leber schädigt, denn 90 Prozent des berauschenden Gifts werden über die Leber abgebaut. Bei Kindern ist sie allerdings noch im Wachstum. Alkohol schädigt sie schwer. 0,5 Promille im Blut reichen aus, um ein Kind bewusstlos wegsacken zu lassen. Die Schwellen zur gesundheitlichen Schädigung sind bei ihnen viel geringer als bei Erwachsenen.

Ein Missbrauch über längere Zeit kann wie bei Erwachsenen zu einer Schädigung innerer Organe führen. Er kann sich zudem negativ auf Gehirn und Nervensystem auswirken und zu demenzähnlichen Erscheinungen führen. Schon durch eine geringe Menge Alkohol werden Kinder und Jugendliche vergesslich, "können sich schlechter konzentrieren und lassen auf verschiedenen Gebieten in ihrer Leistungsfähigkeit nach", lässt sich trefflich im Sachbuch "Generation Wodka" nachlesen.

Zusammengetragen sind hier zahlreiche Fakten, die nach Projekten und Maßnahmen schreien, Jugendliche frühzeitig ins Hirn zu rufen, wie gefährlich Alkohol ist und sie davor zu bewahren, hemmungslos zuzugreifen.

Suchtexperten warnen vor Folgen wie Impotenz, Pubertätsverzögerung oder Entwicklungsblockaden, die der regel- und übermäßige Konsum nach sich ziehen kann. Je jünger das Einstiegsalter ist, desto schädlicher sind die körperlichen Folgen und ebenso die Suchtgefahr.

Das fordern die Experten

In Anbetracht dessen fordern die Autoren um Bernd Siggelkow, die Präventionsforschung und -planung zum Alkoholmissbrauch in Deutschland grundsätzlich neu auszurichten. Bevor Projekte flächendeckend realisiert werden, sei es erforderlich, ihre Wirksamkeit zu prüfen.

Nach Einschätzung von Siggelkow wäre es zudem sinnvoll, Flatrate und Discount-Partys generell zu verbieten, da sie Jugendliche dazu animieren, das Maß zu verlieren und ihre persönliche Grenze zu überschreiten. In die falsche Richtung führen zudem Neuentwicklungen aus dem pharmazeutischen Sektor. So macht im Moment eine Pille in Großbritannien von sich reden, die die Aufnahme des Alkohols ins Blut verzögert. Fachleute bestätigen die Wirksamkeit dieses Präparates, das tatsächlich verhindern soll, dass sich die Wirkung des Alkohols voll entfaltet. Der Rauscheffekt bleibt damit aus. Auf dem deutschen Markt ist das Präparat nicht erhältlich.

Mit Blick auf den Jugendschutz fordern die Experten hierzulande ohnehin, die Verfügbarkeit von Alkohol einzuschränken sowie die Alkoholpreise anzuheben, damit Komasaufen nicht billiger sei als eine Karte zum nächsten Fußballspiel.

(wat)
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